Adventsstimmung?
26.11.2025
„Schon in Adventsstimmung?“ fragt mich die Mutter, die gerade einen Adventskalender bei mir im Pfarrbüro abholt. Was soll ich antworten? Sage ich „Ja“ würde bei ihr vermutlich schnell ein Bild von selbstgebackenen Plätzchen, Glühwein, Lichterketten oder gar einer adventlich-weihnachtlich dekorierten Wohnung entstehen. Davon bin ich weit entfernt. Aber ein „Nein“ würde auch nicht meiner Realität entsprechen. Wir sprechen über dieses und jenes, aber am Ende unserer Begegnung bleibt die Frage unbeantwortet. Aber sie bleibt. „Schon in Adventsstimmung?“ klingt es in mir nach und bewegt mich den Tag hindurch. Was bedeutet „Adventsstimmung“? Wann bin ich adventlich gestimmt? Und ist meine Art den Advent zu begehen das, was sich hinter der Frage der Frau verbarg? Als ich am Abend die Nachrichten anschaue, mag einem jeder heimelige Adventsgedanke vergehen und fast erliege ich der Versuchung mir für die kommenden Adventstage „weniger schlechte Nachrichten“ zu verordnen.
Um schon einmal erste Gedanken für die Sonntagspredigt zu sammeln, nehme ich mir für den Tagesabschluss das Evangelium des 1. Advents zur Hand. Und jedes Jahr aufs Neue überraschen mich die Texte. Von wegen herzenserwärmende Gedanken, lichtumglänzte Worte – knallharte Realität: „nach den Tagen der großen Drangsal […] dann werden alle Völker der Erde wehklagen […] dass das Ende der Welt nahe ist.“ (Mt, 24, 29f.33) Keine Angst, ich will keine Weltuntergangsstimmung erzeugen. Vielmehr führen mich diese Worte und die in mir keimende Frage nach der richtigen Adventsstimmung tiefer hinein in die vor uns liegende Zeit.
Ich kann erschrecken vor den Nachrichten: Bomben, die ungehemmt Tag für Tag Leben zerstören; Schülerinnen und Schüler, die samt ihrer Lehrer entführt werden; schockierende Zahlen, die von der weltweiten Christenverfolgung Zeugnis geben; ganz abgesehen, von den persönlichen Schicksalen, mit denen ich immer wieder konfrontiert bin. Wie gerne hätte ich es anders: Friedlicher, harmonischer, ruhiger. Das Leben ist anders, doch die Sehnsucht bleibt.
Im Evangelium heißt es weiter „Seid also wachsam.“ (Mt 24,42) Wow! In mir macht sich jetzt tatsächlich Adventsstimmung breit. Ich will mich nicht im glühweingeschwängerten Nebel verkriechen oder die Realität mit ein bisschen Goldspray und Weihnachtsglitzer aufhübschen, sondern mich ganz in den Advent hineingeben: Wo ist meine Wachheit gefordert die kleinen und großen Unruhen in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu befrieden und mich für ein aufrichtiges Miteinander einzusetzen? In welcher Situation braucht es statt eines verstohlenen „Ich denk an Dich!“ mein klares „Ich bete für dich!“, weil ich weiß, dass meine Kraft nichts tun kann, sondern alles in Gottes Hand liegt? Wie kann meine Zuwendung zum Nächsten zum konkreten und spürbaren Zeugnis für Christus werden? Wann ist statt des vagen „Vielleicht“ mein klares „Ja“ oder „Nein“ gefordert?
Die Fragen bohren, aber genau darin liegt für mich Advent: Gott fordert mich heraus auszuhalten, dass der Weihnachtsfriede noch auf sich warten lässt – ganz gleich ob in der großen, weiten Welt, oder in mir. Dann also doch: „Ja, ich bin schon in Adventsstimmung.“ Und das nicht nur im Advent.
Eva-Maria Baumgarten, Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Michael Hohe Rhön, Bistum Fulda
Foto von Tony Sebastian: https://www.pexels.com/de-de/foto/licht-hande-dunkel-abend-19123674/









