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Eine Person hält die Hand einer anderen.

Zu-Wendung

17.12.2025

„Das hat mir so gut getan, das war so wichtig!“, sagt mir der Patient bei meinem zweiten Besuch mit leiser Stimme und Tränen in den Augen. Ein Augenpaar, das mit dankbar anschaut… Nach unserer ersten Begegnung hatte ich den „Engel der Geborgenheit“ vorbeigebracht: eine Karte mit einfühlsamen Worten, teils eingedruckt, teils von mir geschrieben. Eine Zusage, ein Zeichen, das wirkte und das in diesen Zeiten der umfassenden Digitalisierung für eine „alles, außer-gewöhnliche“ Note sorgte und eine besondere Bedeutung erhalten hat…

So habe ich es immer wieder in meinen Begegnungen erlebt: „Ihre Worte haben mich so berührt!“, sagt mir eine andere Patientin. Es ist der Zu-Spruch einer größeren Kraft, die wir Christen „GOTT“ nennen – in der Gestalt des Engels, den Boten Gottes, wie wir sie in unzähligen Begegnungserzählungen aus der Bibel kennen. Auch in dieser adventlichen Zeit, wenige Tage vor der „Weih-Nacht“, hören wir eine Engelsbotschaft an Mirjam, das Mädchen in Nazareth: die unfassbare Nachricht, dass Gott Mensch werden will, dass er sich in die Hände von Menschen begibt, deren Natur annimmt und sie – mit allen Höhen und Tiefen – menschlichen Lebens durchschreitet, dessen Ende von Einsamkeit und Verzweiflung, tiefstem Leid und schrecklichsten Schmerzen bis in einen Augen-Blick völliger Verlassenheit unmittelbar vor dem Tod, geprägt sind. Dass Gott uns so nahegekommen ist, zeigt seine unbegreif-liche Liebe zu allem, was lebt, zu uns Menschen.

„Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein“, ruft uns in diesen Tagen Dieter Trautwein in einem der Adventslieder zu – endend mit dem letzten Kehrvers „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht endlos sein.“
Für uns Menschen kann es die existentielle Zu-Sage sein, dass wir im Letzten niemals allein sind, dass Gott uns Menschen in unserer Verlorenheit und Einsamkeit Ernst genommen hat, indem er uns sein kostbarstes Geschenk gemacht hat: Er ist selbst Mensch geworden und hat sich damit (an-)greif-bar gemacht und ist zugleich doch unfassbar geblieben: Mysterium, Geheimnis, dem wir in der Tiefe unseres Herzens begegnen können: dem Göttlichen Bewusstsein in uns, das wir selbst sind – etwas, das ich bin, nicht habe.

Auf-Brechen…

Begegnen wir in diesem Sinne unserer „Weih-Nacht“ in uns aufs Neue.

„Siehe, die Weisen haben sich aufgemacht. Ihre Füße liefen nach Bethlehem, ihr Herz aber pilgerte zu Gott. Sie suchten ihn, aber während sie ihn suchte, führte er sie schon. Sie glaubten nicht, dass der Mensch seinen ersten Schritt unterlassen dürfe, weil Gott ja doch tausend machen müsse, damit beide sich finden.

Sie sehen einen Stern seltsam am Himmel emporsteigen. Und wenn sie auch erschrecken vor der Kühnheit ihres Herzens, so gehorchen sie doch und brechen auf. Sie gehen verschlungene Wege, aber vor Gottes Augen ist es der gerade Weg zu Ihm, weil sie ihn in Treue suchen.
Der Weg ist weit; die Füße werden müde und das Herz wird schwer. Es kommt sich seltsam vor, das arme Herz, weil es so anders sein muss als die Herzen der anderen Menschen, die so ernsthaft dumm in ihren Alltagsgeschäften versunken sind, wenn sie mitleidig oder ärgerlich diese Reisenden vorüberziehen sehen auf der Reise der nutzlosen Verschwendung des Herzens.

Aber ihr Herz hält durch. Und wie sie endlich ankommen und niederknien, tun sie nur, was sie eigentlich immer taten, – was sie auf der Suche und Reise schon taten: Sie bringen das Gold der Liebe, den Weihrauch ihrer Ehrfurcht, die Myhrre ihrer Schmerzen vor das Antlitz des unsichtbaren Gottes.

Still, wie sie gekommen sind, schwinden sie wieder auf dem Gesichtskreis der heiligen Geschichte. Aber wer einmal sein ganzes Herz bis zum letzten Tropfen verschwendet hat an den Stern, der hat das Abenteuer seines Lebens schon bestanden, – der ist angekommen, auch wenn der Weg noch weiterführt.

Lasst auch uns auf die abenteuerliche Reise des Herzens zu Gott gehen! Lasst uns aufbrechen und vergessen, was hinter uns liegt! Es ist noch alles Zukunft – weil wir Gott noch finden, noch mehr finden können. Der Weg geht durch Wüsten und Finsternisse, aber verzage nicht: Der Stern ist da und leuchtet.

Du sagst, er stehe zu klein und zu fern am Firmament deines Herzens? Aber Er ist da! Er ist nur klein, weil du noch weit zu laufen hast! Er ist nur fern, weil deiner Großmut eine unendliche Reise zugemutet wird! Brich auf, mein Herz, und wandre! Es leuchtet der Stern. Viel kannst du nicht mitnehmen auf den Weg. Und vieles geht dir unterwegs verloren. Lass es fahren!

Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht, Myrrhe der Schmerzen hast du ja bei dir. Er wird sie annehmen. Denn du wirst IHN finden!“

(Karl Rahner)

Brechen wir in diesem Sinn auf und lassen uns finden: ER wird uns reich beschenken!

Norbert Nichell
Klinikseelsorger an der Universitätsmedizin Mainz

Foto von cottonbro studio: https://www.pexels.com/de-de/foto/hande-pflege-pflegen-unterstutzen-6764087/

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