Michael Maas
Schnee – Zuviel des Guten
16.01.2019
Es hat geschneit. In den meisten Landesteilen Deutschlands zwar so gut wie gar nicht, dafür aber umso mehr in den Alpen und im Allgäu.
Jetzt ist natürlich gerade dort Schnee im Winter nichts Außergewöhnliches. Und es liegt in dieser Gegend keineswegs so viel Schnee, dass Rekordwerte erreicht werden würden. Pfr. Kocher von Radio Horeb hat das in einem sehenswerten Video mit Augenzwinkern dargestellt.
>> Hier ist das Video zu sehen.
Und doch ist kurz nach der Aufnahme des Videos genau in Balderschwang eine Lawine abgegangen, die den Ort von der Außenwelt abgeschnitten hat. Als wäre das noch nicht genug, erreichte am Folgetag eine Lawine sogar ein Hotel innerhalb des Ortes. Schon außergewöhnlich. Pfr. Kocher selbst hebt auch hervor, dass bemerkenswert ist, wie schnell und heftig der Schnee kam. Es ist schließlich genauso wenig blinder Aktionismus, dass fünf Landkreise in Bayern Katastrophenalarm ausgelöst haben.
Ich frage mich allerdings schon, ob dies einen täglichen Brennpunkt rechtfertigt. Ob neben jeder Schneeflocke, die vom Himmel fällt, auch eine Kamera sein muss, um live aus dem Chaos zu berichten. Ist es die Gier nach der Sensation, die uns dabei einschalten lässt bzw. fasziniert? Liegt unser Interesse an den Schneemassen darin begründet, dass wir in uns eine irgendwie geartete Sehnsucht nach einer weißen unberührten Landschaft in uns tragen und dies an unseren Wohnorten immer weniger erleben? Oder ist es doch die Notwendigkeit der Information und das Schärfen der Wahrnehmung hin zu denen, die Leid zu tragen haben? Vielleicht von allem ein wenig.
Auf jeden Fall lassen sich daraus einige Punkte festhalten, die ganz grundlegend gelten:
- Zuviel des Guten ist des Schlechten. Natürlich sind Einheimische wie die Touristen in den Alpen im Winter auf Schnee angewiesen. Wo es aber zu viel davon hat, ist er mehr Bedrohung als Freude. Und so dürfte es auch mit einer ganzen Reihe von Dingen in unserem Alltag sein. Das meiste davon überkommt uns glücklicherweise nicht einfach wie die weiße Pracht vom Himmel. Wir haben es selbst in der Hand, wo wir uns beschränken.
- Wir können viel tun und planen, am Ende haben wir aber nicht alles selbst in der Hand. Gewiss, in den Alpendörfern sind Rettungskräfte im Einsatz, um die Not zu lindern. Lawinen wurden gezielt gesprengt, um Schlimmeres zu verhindern. So wichtig das ist: Letztlich können wir nicht alles festlegen. Wir müssen in Extremsituationen aber auch im alltäglichen Leben damit zurechtkommen, dass wir nicht alles selbst regeln können. Das verlangt von uns Demut. Und es richtet unseren Blick auf den Größeren, hin auf Gott. Wir sind in seinen Händen gehalten, nicht umgekehrt.
- Im Leid ist es wichtig, zueinander zu halten und einander beizustehen. Es ist schön, zu sehen, wie Nachbarn sich gegenseitig helfen, um den Schnee vom Hausdach zu schaufeln. Wie man sich mit Lebensmitteln aushilft und füreinander da ist. Das ist natürlich nicht auf Naturkatastrophen beschränkt. Leid kennt viele Facetten. Und auch wir vermutlich jemanden, der sich freut, wenn wir ihm beistehen.
Deutschland – ein Wintermärchen? Vermutlich freuen sich nicht nur die Kinder, wenn sich die eine oder andere Flocke auch noch ins Flachland verirrt. Bis dahin gelten das Mitgefühl und das Gebet denen, die unter der Schneelast zu leiden haben, besonders den Todesopfern, die der Winter in den Alpen gefordert hat. Und vielleicht hilft uns der Schnee ja auch zu Einsichten über die aktuelle Nachricht hinaus.
Direktor Michael Maas
Leiter des Zentrums für Berufungspastoral, Freiburg
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