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Reinhard Hauke

Oskar Schindler – kein Durchschnittsmensch

21.04.2021

„Wäre er ein Durchschnittsmensch gewesen, wäre er sicher nicht fähig gewesen, das zu tun, was er für uns getan hat.“ Diese Worte stammen von Moshe Bejski, einem Juden, dessen Name unter der Nummer 531 auf der sogenannten „Schindlers Liste“ stand.

Am 28. April 1908, heute vor 113 Jahren, wurde in der Stadt Zwittau in Mähren Oskar Schindler geboren. Er starb am 9. Oktober 1974 in Hildesheim und wird in der jüdischen Gedenkstätte „Ya Vashem“ in Jerusalem seit 1993 unter den „Gerechten unter den Völkern“ genannt. Auf seinem Grabstein in Jerusalem auf dem Berg Zion ist festgehalten, dass er 1200 Juden das Leben gerettet hat. 1999 fand man einen Koffer, in dem auch neben anderen Dokumenten sich diese Liste mit den Namen der 1200 Juden befand, die heute in Yad Vashem ausgestellt ist. 1200 Menschenleben wurden vor dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten bewahrt, indem sie in der Fabrik von Oskar Schindler arbeiten durften und wegen der Herstellung von Munition sogar als systemrelevant anerkannt waren, was sie vor der Gaskammer bewahrte. Oskar Schindler hat in dieser Liste auch jüdische Akademiker als Metallarbeiter aufgelistet, um ihre unbedingt notwendige Arbeit in der Fabrik zu begründen. Wo es möglich war, hat er gelogen, um Menschenleben zu retten. Da das System des Nationalsozialismus keine Berechtigung hatte, als rechtmäßig und human anerkannt zu werden, war ein solches Verhalten durchaus legitim.

Oskar Schindler war kein Durchschnittsmensch, der nur danach geschaut hat, sein eigenes Leben zu retten oder in einem „sicheren Fahrwasser“ das Leben zu verbringen. Er hat in schwierigen Situationen nicht versucht, sein eigenes Vermögen oder seine eigene Haut zu retten, sondern hat versucht, Menschenleben wert zu schätzen und zu schützen, die von einer Regierung als Untermenschen bezeichnet wurden.

Woher kam sein besonderer Charakter? Er hatte eine katholische Erziehung erfahren und zu seinen Spielgefährten gehörten Kinder aus jüdischen Familien. Es war für ihn selbstverständlich, dass auch jüdische Kinder Freunde sein konnten. Warum sollte sich daran etwas ändern, weil es „von oben“ anders bewertet wurde? Das Gewissen hat ihm mit großer Wahrscheinlichkeit einen Weg gewiesen, der sich als gefährlich herausstellte und doch ihm selbst zu einer großen inneren Freude geholfen hat. Einen solchen Einsatz für lebensbedrohte Menschen kann man nur leisten, wenn es eine innere Freude gibt.

Durchschnittsmenschen sind zudem nicht in der Lage, wozu Oskar Schindler fähig war. Der Durchschnittsmensch hat es vielleicht leichter in seinem Leben, weil er „mit der Masse schwimmt“ und daher nicht aneckt, aber er kann die Welt nicht verändern oder zum Guten hin prägen.

Was ist aber der Sinn des menschlichen Lebens? Wir sind berufen, mit unseren Fähigkeiten den Menschen und damit der ganzen Welt zu nutzen, damit das Gute mächtig wird. Vielleicht wird heute sehr oft darüber diskutiert, was denn das Gute ist. Für mich kann nur etwas das Gute sein, was auch für andere oder besonders für andere gut ist. Der Schutz des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick des Daseins bei der Zeugung bis zum Tod, dessen Zeitpunkt allein Gott als Schöpfer des Lebens bestimmen darf, ist ein Anliegen, das nicht nur aus der christlichen Gesinnung, sondern von allen Menschen, die human denken, unterstützt werden muss. Ich sehe viele Gefahren, wenn ein solches Wertdenken zerbricht. Menschen wie Oskar Schindler könnte es dann nicht mehr geben.

Oskar Schindler hat 1965 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse erhalten. 1967 erhielt er den Martin Buber Friedenspreis. 1968 wurde ihm der päpstliche Silvesterorden durch Papst Paul VI verliehen. In einem Ring aus echtem Zahngold, den Oskar Schindler nach dem Krieg von jüdischen Überlebenden bekam, ist zu lesen: „Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ Das Wort stammt aus dem jüdischen Talmud. Auch Jesus Christus wird dieses Wort gekannt haben. Mit seinem Leben hat er diesem Wort eine Gestalt gegeben und viele Menschen haben es ebenso – wie Oskar Schindler – mit dem eigenen Leben geformt. Ich bin sicher, dass sie alle im Himmel mit dem Auferstandenen das „Halleluja“ singen.

Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Erfurt


                            Auszug aus Schindlers Liste – Foto: wikimedia commons

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