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Robert Zollitsch

Zeit, in sich zu gehen

07.02.2018

Mit dem alemannischen „Schmutzigen Donnerstag“ bzw. mit der „Weiberfastnacht“ in Köln gehen Fastnacht, Fasching, Karneval ihrem Höhepunkt entgegen. Dabei haben Freude und Ausgelassenheit ihren Platz. Es gibt, wie der alttestamentliche Prediger feststellt, „eine Zeit zum Lachen“, aber auch, wie er festhält, „eine Zeit zum Weinen“ (Koh 3,4). So endet denn auch Fasching / Karneval mit dem Aschermittwoch.

Und der lädt uns zum Nachdenken und zur Besinnung ein.  Diese haben wir alle nötig – nicht nur nach Fastnacht. Viele haben die Sondierungsgespräche im Blick auf die Bildung einer „Jamaika-Koalition“ und danach für eine mögliche „Große Koalition“ und schließlich die Koalitionsverhandlungen mit Spannung und wachem Interesse verfolgt. Die Bundestagswahlen im vergangenen September haben uns vor Augen geführt, wie gespalten die Gesellschaft in unserem Land ist. Sie und so manche Wahlveranstaltungen wie auch der Schlagabtausch in und nach den Sondierungsgesprächen haben uns mit Schrecken erleben lassen, wieviel Aggressionen, ja Feindschaft es in Deutschland gibt.

So manche Bundestagsabgeordnete scheinen vergessen zu haben, dass sie zwar von ihrer Partei als Kandidaten aufgestellt, aber von der Bevölkerung, von den Bürgerinnen und Bürgern, in den Bundestag gewählt wurden. Sie wurden gewählt, um Verantwortung für unser Land und das Wohl aller wahrzunehmen. Sie und nicht die Parteimitglieder tragen die Verantwortung dafür, dass unser Land von einer stabilen Regierung regiert wird.

Die Zeichen der Zeit verlangen, das Gemeinsame zu suchen, Berge abzutragen und Brücken zu bauen. Hahnenkämpfe und Profilierungssucht haben wir genug erlebt. Besinnung tut not. Wer die Situation verantwortlich in den Blick nimmt, muss in die Zukunft schauen und das Gemeinsame suchen, das, was in der Breite in die Zukunft führt. Das heißt: Verantwortung wahrnehmen. Ob es nicht uns allen und damit auch unserem Land gut täte, wenn die Politiker, statt beim „Politischen Aschermittwoch“ auf den Gegner draufzuhauen, einen Schweigetag einlegen und wirklich in sich gehen würden?

Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch,  Freiburg


Foto: pixabay.com

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