Rolf Steinhäuser
Sexueller Missbrauch und kein Ende
29.08.2018
Wir hatten gehofft, die Sache wäre ausgestanden. Hoch peinlich und natürlich schlimm für die Kirche, aber wir haben die Lektion doch gelernt. Präventionsschulungen für alle Haupt- und Ehrenamtlichen, die mit Kindern zu tun haben, Entschuldigungen bei den Opfern, Entschädigungszahlungen und Hilfe für die Betroffenen und der feste Wille zu einer „Null-Toleranz“-Politik. Aber offensichtlich ist die Sache nicht ausgestanden. Fast täglich neue Hiobsbotschaften: Ein neuer Tiefpunkt: der Pennsylvania-Bericht: 1.000 Fälle sexuellen Missbrauchs, verübt von 300 Priestern.
Das geht mir an die Substanz. Ich bin Bischof dieser Kirche, eine der Identifikationsfiguren für Kirche. Am liebsten würde ich mich jetzt wegducken und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht. Ich spüre die Versuchung, die Zahlen „klein zu rechnen“. 1.000 Fälle in 70 Jahren; das sind doch nur ungefähr 15 Fälle pro Jahr. Und die Täter, das sind doch nur 4 oder 5 Priester pro Jahr.
Ich weiß, dass dieser Versuch der Relativierung untauglich ist; jeder Missbrauch ist ein unsägliches Verbrechen zu viel. Jedes Opfer hat eine tiefe Verletzung empfangen. Diese Wunden „verjähren nie“ hat Papst Franziskus gesagt.
Ein Gefühl völliger Hilflosigkeit. Da geschieht etwas, das auch mich betrifft und ich habe den Eindruck, dass ich gar nichts machen kann.
Der Vertrauensverlust für Kirche ist unermesslich. Im Gespräch mit einer Freundin werde ich konfrontiert: „Ihr Priester und Bischöfe beansprucht doch an der Stelle Christi zu handeln, wenn ihr Eucharistie feiert und das Sakrament der Versöhnung spendet. Und solche Menschen vergewaltigen dann ein Kind oder tun alles, um eine solche Untat zu vertuschen.“
Ich weiß natürlich, wir sind alle Sünder, die Priester und Bischöfe wie alle anderen Christen auch. Aber der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist hier besonders brutal und zynisch. Es ist nicht nur ein Missbrauch von Kindern, hier wird Gott und sein heiliger Name missbraucht.
Ich bin ratlos; Entschuldigungen für die Vergehen anderer klingen wohlfeil und werden mir nicht abgenommen. Aber ich, wir, sind mit in Haft genommen. Vielleicht kann man den Schmerz nur aushalten, neben dem Kreuz der Opfer stehen, hilflos, machtlos.
Wie Maria neben dem Kreuz ihres Sohnes. Hilflos, aber sich klammernd an die Hoffnung von Ostern.
Der Papst spricht von Fasten und Beten.
Sicher nicht sinnlos, aber ob das reicht?
Weihbischof Rolf Steinhäuser, Köln
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