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Wolfgang Ipolt

Ort der Gottesberührung

27.03.2019

Irgendwo in Brandenburg. Ein kleiner Ort mit ganz wenigen Einwohnern. Es gibt eine Bushaltestelle und einen Briefkasten, der einmal am Tag geleert wird – und eine kleine Kirche aus der Barockzeit, die die katholische Gemeinde von Spremberg betreut. Seit Jahrzehnten ist diese Kirche ein Ort, an dem sich am Fest Christi Himmelfahrt vor allem Familien mit ihren Kindern zu einer Messfeier versammeln und einen Tag der Gemeinschaft dort verbringen. In der Regel findet in dieser Kirche am Sonntag kein Gottesdienst statt, da es im Umfeld kaum Katholiken gibt.

Dennoch: Die Kirche wurde im letzten Jahr aufwendig renoviert und saniert. In der vergangenen Woche war ich als Bischof eingeladen zur Wiedereinweihung der St. Josef-Kirche in Bloischdorf. Der zuständige Pfarrer hatte dazu natürlich für den 19. März, dem Hochfest des hl. Josef eingeladen. Schnell war ich mit dem Pfarrer darin einig, dass wir zu diesem Anlass nicht die Eucharistie feiern, sondern eine andere gottesdienstliche Form gestalten sollten – denn die meisten der Teilnehmer an der Wiedereinweihung der Kirche würden keine Christen sein. Geladen waren vor allem die verschiedenen Handwerksfirmen, die die Renovierung durchgeführt hatten wie auch die Vertreter der Denkmalpflege und der Kommune. Ihr Werk und ihre Unterstützung sollte gewürdigt werden.

Allerdings haben wir das zu einer Kirchweihe gehörige Evangelium verkündet: Die Berufung des Zöllners Zachäus. Vermutlich haben manche der Teilnehmer dieses Wortgottesdienstes diese Geschichte zum ersten Mal in ihrem Leben gehört. Ich habe ihnen Zachäus als einen neugierigen und suchenden Menschen vorgestellt. Seine Suche, sein Interesse wird erst erfüllt, als er von Jesus angeschaut wird – aber dann reagiert er direkt und mit ganzer Kraft. Es muss ihn bis ins Mark getroffen haben, dass er, der Zöllner, ausgesucht wurde, um den Herrn aufzunehmen und sein Gastgeber zu sein.

Die kleine Kirche – jetzt frisch renoviert – ist für uns Christen ein Ort der Gottesberührung. Sie ist kein Museum. Es kann geschehen, wenn Wanderer oder Radfahrer hier vorbeikommen und in das schmucke Kirchlein hineinschauen, dass sie angesprochen werden: von der Stille in diesem Raum, von den Bildern und Figuren. Es kann geschehen, dass sie wie Zachäus angeschaut werden und eine Wandlung in ihrem Leben einsetzt – hin zu dem Gott, der auch heute noch gastfreundliche Aufnahme in  den Herzen von Menschen sucht.

Obwohl in dem Ort derzeit kein katholischer Christ wohnt, hat sich jemand bereit erklärt, die Kirche jeden Tag für Besucher zu öffnen und sie am Abend wieder zu schließen. Man kann nur dankbar sein dafür, dass es Menschen gibt, die Gottesberührung möglich machen.

Bischof Wolfgang Ipolt, Görlitz


                         Foto: Website der Gemeinde

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