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Christine Lieberknecht

Geizwänste in Nadelstreifen

24.10.2018

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit gehen einige gut gekleidete Herren nun schon seit mehr als 25 Jahren einer sehr speziellen Art von Geschäften nach, mal mit Inhalt und mal ohne. Von „Cum-Cum-Trades“ oder „Cum-Ex-Deals“ sprechen die Insider. Andere nennen es „Dividendenstripping“ oder „steuergetriebenen Aktienhandel“. Bewegt werden dabei unvorstellbare Geldbeträge. Im Lauf der Jahre sollen sie sich in den betroffenen europäischen Ländern auf etwa 55 Mrd. Euro summiert haben. Allein die deutschen Steuerzahler sollen um die gigantische Summe von rund 31,2 Mrd. Euro betrogen worden sein. Grauzonen im Steuerrecht, professionelle Tricksereien und mutmaßlich schwerstkriminelle Energie haben diesen kaum zu fassenden Steuerskandal ermöglicht.  

Die Bürger sind empört. Zu Recht, wobei es einem international recherchierenden Journalistennetzwerk zu verdanken ist, dass diese Nachrichten überhaupt eine breitere Öffentlichkeit erreicht haben. 55 Milliarden (!) Euro – unfassbar! Wie korrupt, ja – asozial, müssen Menschen sein, die sich derart skrupellos am Gemeinwohl bereichern. Menschen, die eigentlich zur Führungselite ihrer Länder zählen sollten. Nein, dazu gehören sie nicht.  Sie haben sich vom Fiskus Geld auszahlen lassen, was dringend für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, bei Polizei und innerer Sicherheit benötigt wird. Diese Herren haben sich in ihrer unersättlichen Gier den Steuergroschen des kleinen Mannes zur Milliardenbeute gemacht.

In meiner Wut möchte ich an die „Vermahnung“ Martin Luthers aus dem Jahr 1539  „Wider den Wucher zu predigen“ erinnern und den Zockern in Nadelstreifen die Worte des Reformators entgegenschleudern: Ihr „Geizwänste, Götzendiener und Wucherer“!

Schwer wiegt dabei nicht nur der finanzielle Schaden, der entstanden ist. Noch schwerer wiegt der Vertrauensverlust in die Steuergerechtigkeit und unser demokratisches Staatswesen. Hier ist der Gesetzgeber, sind die Finanzbehörden, Ermittler und Gerichte gefragt. Legt den „Geizwänsten“ in Nadelstreifen mit aller Entschiedenheit endlich ihr asoziales Handwerk. Macht Schluss mit dem Teufelskreis, bei dem jedes Schließen eines Steuerschlupfloches zum Anlass genommen wird, den räuberischen Betrug mit neuen Möglichkeiten zu perfektionieren und weiter die Kassen des Staates zu plündern.

Oder versuchen wir es einfach mit den zehn Geboten. „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Und: „Du sollst nicht stehlen.“

 

Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.

 Foto: pixabay.com

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