Michael Maas
Wer gehört zu Deutschland?
28.03.2018
„Der Islam gehört zu Deutschland.“ Fast jeden Tag können wir zur Zeit zu dieser Aussage mehr oder weniger Geistreiches hören. Mich wundert dabei, wie unkritisch von weiten Teilen der Verantwortlichen in unserem Land diese Religion gesehen wird – trotz zahlreicher Probleme, die in mehrheitlich islamischen Ländern für Minderheiten aller Art existieren. Und wie wenig geschichtsbewusst für unsere eigene Kultur an dieser Stelle argumentiert wird.
Mich wundert aber genauso wie unsensibel den Menschen gegenüber gesprochen wird, die Moslems sind und bei uns leben. Wie wenig es eine Rolle zu spielen scheint, wie eine solche Ausgrenzung bei denen ankommt, die sie betrifft; ja schlicht wie wenig Wertschätzung glaubenden Menschen entgegengebracht wird.
Hinter dieser Aussage steht allerdings eine ganz andere Erkenntnis: Es ist unglaublich wichtig, dazu zu gehören. Man möchte dabei sein in einer größeren Gemeinschaft und nicht abseits stehen. Es ist bei weitem nicht nur für Kinder und Jugendliche eine wichtige Frage, mit wem sie zusammen sind, wo sie ihren Platz haben.
Genauso verhält es sich mit der Ausgrenzung. Dort, wo ich abgelehnt werde, wo man an mir kein Interesse zeigt, da ziehe ich mich zurück. Im schlimmsten Fall werde ich aggressiv und überlege, wie ich es demjenigen heimzahlen kann, der mich ausschließt. Oder ich versuche, alles zu überwinden, was an mir anders sein könnte als bei der Mehrheit und bemühe mich, jede Eigenart hinter mir zu lassen, die von anderen kritisch hinterfragt werden könnte.
Man kann dieses Verhalten der Anpassung an der Mode gut beobachten, oder an bestimmten Trends, denen man sich nur schwer entziehen kann. Manche setzen das Thema, andere laufen hinterher – weil sie dabei sein und dazu gehören wollen.
In der Karwoche hören wir in der Passionsgeschichte auch so eine Frage nach der Zugehörigkeit. Petrus wird dreimal gefragt: „Gehörst Du nicht auch zu diesem Jesus?“ Er hat aber Angst vor der größeren Gruppe und bekennt sich nicht. Er will es sich mit den Meinungsführern nicht verscherzen.
Als der Hahn kräht, erkennt er, dass er zu Jesus gehört – und wie er ihn verraten hat. Er merkt, dass es nicht darauf ankommt, nur einfach „dabei zu sein“, sondern wie wichtig es ist, zu dem zu stehen, was das Leben prägt. Er merkt: Auch die kleine Gruppe der Jünger schafft Zugehörigkeit.
Wenn wir als Kirche in Zeiten der Pluralität bestehen wollen, müssen wir solche Orte der Zugehörigkeit schaffen. Denn einer aktuellen Studie zufolge ist es nur etwas mehr als ein Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 29 Jahren (6% der Katholiken dieser Altersgruppe) in Deutschland, die regelmäßig sonntags zur Messe gehen. Natürlich wollen auch sie dazu gehören. Sie wollen nicht nur Einzelkämpfer sein. Es wird daher entscheidend sein, Ihnen das Bekenntnis zu ermöglichen – auch wenn die vorherrschende Meinung das nicht goutiert.
Und wenn wir als Gesellschaft keine Spaltung herbeiführen wollen, dann wird es darauf ankommen, Zugehörigkeit zu schaffen und nicht verbal oder anderweitig auszugrenzen. Das gilt übrigens in alle Richtungen und keineswegs nur im Blick auf den Islam.
Unser christlicher Glaube böte sich dafür in einzigartiger Weise an: denn Christus ist für alle Menschen gestorben und auferstanden. Er hat keine Unterschiede gemacht. Sein Heil gilt universal.
Direktor Michael Maas, Leiter des Zentrums für Berufungspastoral, Freiburg
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