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Norbert Nichell

Was mich nährt?!

26.04.2023

„Letzte Woche waren wir jeden Tag in Ihrer Kapelle und haben eine Kerze angezündet“, sagt mir die muslimische Mutter mit leuchtenden Augen, ihren tumorkranken Sohn an ihrer Seite.

„Ich spüre, in dieser Frau steckt noch eine Menge Leben – das war für mich der wichtigste Satz, den Sie mir gesagt haben“, erzählt mir eine ehemalige Patientin, die aus Dankbarkeit über die Wendung, die ihr Leben genommen hat und die mich deshalb einige Zeit nach ihrem Klinikaufenthalt eigens dafür aufsucht, um sich zu bedanken.

„Als Sie vor 11 Jahren bei meinem Kind waren, war das so wichtig für uns – und Ihr `Engel der Geborgenheit´, den Sie uns damals geschenkt haben, hat immer noch einen festen Platz in unserer Wohnung“, sagt mir die Mutter, die ich „zufällig“ nach dieser langen Zeit mit ihrer stark beeinträchtigten 12- jährigen Tochter wartend im Foyer unserer Kinderklinik antreffe.

„Als ich Deinen `Engel der Geborgenheit´ in meiner Hand hielt, wusste ich, dass meine Tochter wieder gesund wird“, sagte mir vor vielen Jahren der muslimische Vater einer leukämiekranken Tochter – und so geschah es nach einem langen Krankheitsweg… Im Verlaufe unserer Gespräche fragte er mich nach der Bibel, weil er nach etwas suchte, was ihm „Nahrung für seine Seele“ geben könnte…

Einige wenige Beispiele von Menschen, die für sich „gefunden“ haben, was sie „nährt“, was ihnen so viel Kraft gegeben hat, dass sie die aktuelle Krise gut durchstehen können. Und dann sogar gestärkt daraus hervorgehen konnten. Es war keine Kraft, die sie aus sich selbst heraus hätten finden oder gar aufbringen können. Es brauchte die Begegnung, den „Augen-Blick“, der zum „kairos“ für sie wurde, indem sie in einer inneren Offenheit gespürt haben, was jetzt die ganz persönliche Botschaft für sie ist, worin oder wodurch sie eine Stärkung erleben konnten für den nächsten Schritt, der sie weiterführt, der `Nahrung´ und `Heilung´ für sie bedeutet.

„Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“, hören wir Jesus im Evangelium nach Johannes (Joh 6, 35) von sich sagen. Er bietet sich gerade auch in diesen Tagen der Osterzeit immer wieder an als der, der den Weg durch Einsamkeit, Schmerzen, Leid(en) und Tod nicht gescheut hat, um uns in diesen „Augen-Blicken“ des Lebens nahe zu sein und uns in unserem Inneren in der Wechselhaftigkeit unserer unterschiedlichen Gefühle zu begleiten, die er selbst so sehr kennt und durchlitten hat – mit der Erfahrung des Hoffens und Kämpfens, des Wunden-tragens und in der Nacht-seins wie auch der Erfahrung, dass es Morgen sein wird, der Stein weggewälzt und die Sonne aufgegangen ist…

„Das aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich keinen von denen, die er mir gegeben hat, zugrunde gehen lasse…“ (Joh 6, 38), ist die Zusage des Auferstandenen, die uns gelassen und zuversichtlich durch diese Osterzeit gehen lassen kann – im Vertrauen wir auf diese „Nahrung“, die wir uns jeden Tag aufs Neue schenken lassen können.

Norbert Nichell
kath. Klinikseelsorger an der Universitätsmedizin Mainz


                                    Bild von Philippe Ramakers auf Pixabay

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