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Frank Riedel

Ich bin ein Mensch

19.04.2023

„Ich bin ein Mensch.“ – Wenn ich mich im Internet bei irgendeinem Nutzerkonto anmelden möchte, muss ich inzwischen häufig ein Häkchen setzen und so dieser Aussage zustimmen. Ich beobachte mich dabei, wie ich diese Zustimmung oft mit einem zufriedenen Lächeln gebe: Ja, ich bin ein Mensch und ich bin es gern!

Natürlich bin ich mir bewusst, dass es bei diesem kleinen Bestätigungsvorgang darum geht, mich von einem „Bot“, also einem computergesteuerten System zu unterscheiden und so Schaden von meinem Benutzerkonto, etwa durch das Abgreifen gespeicherter Daten, abzuwenden. Und doch weckt dieser kleine Satz bei mir Assoziationen, die tiefer gehen.

Mensch zu sein verweist uns einerseits auf unsere Würde. „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“, so richet sich der Dichter von Psalm 8 im Gebet an Gott. „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.“ Es sind Worte, die uns in Staunen versetzen können.

Menschlich zu sein kann uns aber auch die eigene Schwäche vor Augen führen. „Ich bin auch nur ein Mensch“, sagen wir und erkennen damit an, dass wir begrenzte Wesen sind. Beide Dimensionen, Größe und Grenze, gehören wesentlich dazu zu unserem Menschsein.

In den Nachrichten der letzten Wochen war immer wieder von den Möglichkeiten und Grenzen der Künstlichen Intelligenz, also von lernenden Computersystemen, zu lesen. „Was kann der Mensch besser?“, titelte etwa in der vergangenen Woche die Wochenzeitung DIE ZEIT. Dabei ging es den Autoren auch um die Frage, wie sich die durch diese Technologie eröffnenden Möglichkeiten auf den Menschen auswirken werden. Welche ethischen Standards müssen definiert werden? Wie kann etwa sichergestellt werden, dass die zugrundeliegenden Algorithmen nicht bestehende Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen verstetigen? Wo liegen die Grenzen der KI? Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Berufswelt? Werden Tätigkeiten, die bisher durch Menschen wahrgenommen werden, mehr und mehr überflüssig? Wo ist die KI vielleicht sogar besser und zuverlässiger als wir?

Manchen mag bei diesen Fragen angst und bange werden. Andererseits kommt unser Menschsein durch diese Entwicklungen noch einmal neu und grundlegend in den Blick. Indem sich unser Verhältnis zur Technik verändert, stellt sich erst recht die Frage, wer wir sind und was uns eigentlich ausmacht. In beeindruckender Weise kommt das in dem Film „Ich bin dein Mensch“ zum Ausdruck, in dem es um die Entwicklung von humanoiden (also menschenähnlichen) Robotern geht, die ganz auf die Bedürfnisse und den Charakter ihrer „Besitzer“ abgestimmt sind, um deren perfekte Lebenspartner zu werden. Noch dazu sind sie durch künstliche Intelligenz in der Lage, sich immer besser den entsprechenden Personen anzupassen

Gegen Ende des Films philosophiert Alma, die – menschliche – Hauptfigur des Films:

Ist der Mensch wirklich gemacht für eine Befriedigung seiner Bedürfnisse, die per Bestellung zu haben ist? Sind nicht gerade die unerfüllte Sehnsucht, die Phantasie und das ewige Streben nach Glück die Quelle dessen, was uns zu Menschen macht? Wenn wir die Humanoiden als Ehepartner zulassen, schaffen wir eine Gesellschaft von Abhängigen, satt und müde von der permanenten Erfüllung ihrer Bedürfnisse und der abrufbaren Bestätigung ihrer eigenen Person. Was wäre dann noch der Antrieb, sich mit herkömmlichen Individuen zu konfrontieren, sich selbst hinterfragen zu müssen, Konflikte auszuhalten, sich zu verändern?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es Menschen wie P. Josef Kentenich (1885-1968), die sich fragten, worauf es angesichts der gewaltigen wissenschaftlichen und technischen Fortschritte wohl ankommt. „Man braucht nicht sonderlich viel Welt- und Menschenkenntnis zu haben, um sich klar darüber zu werden, dass unsere Zeit mit all ihrem Fortschritt, mit allen ihren Entdeckungen den Menschen die innere Leere nicht nehmen kann.“ (1912) Und so erklärt Kentenich die „Selbsterziehung“, d. h. die Entfaltung der Persönlichkeit und somit des vollen, authentischen Menschseins, zum Imperativ der Zeit. Das gilt vielleicht heute mehr denn je.

In der Osterzeit, die wir als Christen in diesen Wochen zwischen Ostern und Pfingsten begehen, steht uns das Bild des „neuen Menschen“ vor Augen, der durch die Auferstehung Jesu einen neuen, ungeahnten Auftrieb erfährt. Neue Menschen zu werden, das ist und bleibt ein spannendes Projekt!

P. Frank Riedel, München
Schönstatt-Pater, Vorsitzender des Landespräsidiums der dt. Schönstatt-Bewegung


                                     Fotocollage: Riedel

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