Atme. Brenne. Wirke.
von Josef Treutlein
Ein aktives Mitglied des Pfarrgemeinderates ist schwer erkrankt, ein Familienvater im besten Alter. Ich besuche ihn in der Klinik. „Gott sei Dank, es geht langsam aufwärts.“ Er freut sich. „Herr Pfarrer, ich muss Ihnen sagen, was mir am meisten Kraft gegeben hat, als alles auf der Kippe stand. Das war dieser Heilig-Geist-Song auf unserer letzten Wallfahrt.“ Ich erinnere mich: Ja, das war damals wie ein Ohrwurm auf dem 116 Kilometer langen Weg nach Vierzehnheiligen. Immer wieder dieser Kehrvers „Atme in uns, Heiliger Geist, brenne in uns, Heiliger Geist, wirke in uns, Heiliger Geist, Atem Gottes, komm!“ (GL Nr. 346) Dazwischen Gebete zum Heiligen Geist. Der Kranke erzählt mit schwacher Stimme, und seine Augen beginnen zu leuchten: „Ich konnte mich kaum bewegen, aber in Gedanken war ich beim Pilgern. Dieser Song hat mich begleitet. Ich konnte mir früher unter dem Heiligen Geist nichts vorstellen, aber jetzt habe ich einen Draht zu ihm. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich der Gedanke an ihn tröstet.“
„Tröster“, „Beistand“, „Anwalt“ sind die gängigen Übersetzungen des Wortes „Parakletos“, mit denen Jesus den Heiligen Geist bezeichnet. (Joh 14,16 ff; 14,26; 15,26) Wir haben kein Bild von ihm und brauchen es auch nicht. Aber wir erkennen ihn an dem, was er tief im Herzen wirkt. Dieser Mann hat es erfahren.
Atme in uns
Gottes Geist ist der Lebensatem, von dem die Bibel immer dann spricht, wenn es um Lebendigkeit geht. Er ist Wind und Sturm, wenn es um Dynamik geht. Er ist das tragende Element über Abgründe hinweg. Bei einer Wallfahrt kamen wir an einem Startplatz für Gleitschirm-Segler vorbei. Vor unseren Augen stürzten sich junge Leute ins „Nichts“ – und wurden im Aufwind in die Höhe gehoben. Auf der nächsten Wegstrecke beteten wir den Glorreichen Rosenkranz. Es war nicht schwer, den Impuls zum dritten Geheimnis zu geben: „Jesus, der uns den Heiligen Geist gesandt hat.“ Ihr habt ja soeben gesehen, wie das ist, wenn jemand von einer unsichtbaren Kraft getragen wird. Man kann sich dem Heiligen Geist, diesem göttlichen Atem und Aufwind, total überlassen. Er weht, wo er will. Er ist die tragende Kraft, die den Absturz verhindert.“ Nach dem Rosenkranz kamen zwei etwa 16-jährige Wallfahrer auf mich zu und bedankten sich: „Da macht ja der Rosenkranz richtig Spaß! Jetzt krieg ich eine Ahnung, was das mit dem Heiligen Geist auf sich hat!“ Ich bin heute noch dankbar, dass wir in der Firmvorbereitung das klassische, dem heiligen Augustinus zugeschriebene Gebet gelernt haben: „Atme in mir, du Heiliger Geist.“ Es gehört zu meinem täglichen Gebetsschatz (GL Nr. 7,2) Wie sehr brauchen wir den „langen Atem“ auf dem Weg durch vielerlei Krisen heute! …
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