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Demokratie · Was ist das eigentlich?

Demokratie · Was ist das eigentlich?

von Hubertus Brantzen 

Es ist abenteuerlich zu sehen, welche Staaten rund um den Erdball sich demokratisch nennen. Gefühlt sind es Staaten, in denen die Regierung von ihren Bürgerinnen und Bürgern auf Zeit gewählt wird. Doch schaut man genauer hin, ist die Enttäuschung groß. 

Da gibt es eine Vielzahl an Staaten, deren Machthaber während ihrer Regierungszeit die Gesetze so manipulieren, dass am Ende nur noch sie gewählt werden können. Ein probates Mittel ist dabei, seine politischen Gegner wegen angeblicher Vergehen zu verhaften und festzusetzen. Oder man erklärt eine gegnerische Partei als verfassungswidrig oder gar terroristisch und verbietet sie. So bleibt am Ende nur der Eine oder die eine Partei, die gewählt werden kann.  

In anderen Staaten üben Machthaber einen solchen Druck auf die Menschen und die Mandatsträger in den Parlamenten aus, dass letztere brav zu allem Ja und Amen sagen, was ihnen als Gesetzesvorlagen auf den Tisch gelegt wird. Auf diese Weise werden auch solche Gesetzesänderungen vorgenommen, die es ermöglichen, dass Machthaber über ausgedehnte Zeiträume Regierungschefs bleiben können.

Die Deutschen haben es der Welt wieder mal gezeigt

Der eine Teil Deutschlands nannte sich 40 Jahre lang „Deutsche Demokratische Republik“. Das klang sehr gut. Nur war nicht drin, was drauf stand. Es gab Vorgaben, innerhalb derer sich das Volk und seine Bürgerinnen und Bürger bewegen mussten: das, was die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) vorgab. Die SED war 1946 in der sowjetischen Besatzungszone und im sowjetisch besetzten Teil Berlins als marxistisch-leninistische Partei gegründet worden. Unter sowjetischer Direktive wurde sie zur alles bestimmenden Staatspartei, die ihre Bürger in einem Überwachungsstaat das wählen ließ, was sie bestimmte. Und die ganze Welt nannte das System „demokratisch“. 

Will ein totalitäres System auf Dauer seine Bürger bei der Stange halten, muss es diese permanent überwachen, um Abweichungen von der offiziellen Linie ahnden zu können. Was die DDR über Spitzel, Aktennotizen und Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst, die „Stasi“, zwar effektiv, aber noch relativ schwerfällig zustande brachte, das hat inzwischen die Volksrepublik China digital perfektioniert.

Der andere Teil Deutschlands arbeitete sich als „Bundesrepublik Deutschland“ nach dem Zweiten Weltkrieg in eine wirkliche Demokratie hinein. Dabei hatte man die Schwächen der Weimarer Republik im Auge, die es möglich machte, dass eine gesellschaftliche Strömung wie der Nationalsozialismus an die Macht kommen konnte. 

Demokratie und Republik

Ein zweiter Begriff kommt ins Spiel: Republik. In unserem Sprachgefühl klingt „Republik“ sehr nach „Demokratie“. Und wenn man dieses Gefühl ernst nähme, gäbe es auf der Welt fast nur Demokratien, einschließlich China. Doch hier spürt man die Unschärfe der Begriffe.

Republik meint zunächst nur, dass die Staatsform keine Monarchie ist. So wurde in der Französischen Revolution von 1789 bis 1799  der absolutistische Staat mit dem König an der Spitze abgeschafft und eine Republik aufgerufen. Ziele der Revolution waren, die Ideen der Aufklärung umzusetzen und besonders die Einhaltung der Menschenrechte für alle durchzusetzen. Zwar verkehrten sich die Bestrebungen in Frankreich bald in Gewalt und in eine Revolutionsdiktatur, doch waren sie ein Auslöser für weitreichende gesellschaftliche Veränderungen in Europa. 

Das, was Republik meint – aus dem Lateinischen „res publica“, „öffentliche Sache“ –, bedarf also der inhaltlichen Füllung. Der Name allein sagt noch nicht viel. Was aber meint nun „Demokratie“, die in einer Republik verwirklicht werden kann?

Demokratie – was ist das?

Die Idee der Demokratie – griechisch: „demos“ δῆμος – das Volk – besagt, dass die gesamte politische Herrschaft vom Volk ausgeht, das heißt von der Gesamtheit aller Menschen eines Staates. Die Ausübung der Macht durch die Regierung wird vom Volk legitimiert und kontrolliert. Die Regierung wird durch allgemeine und freie Wahlen ins Amt gebracht. Der Staat muss ein souveränes Staatsgebiet, ein Territorium, besitzen, innerhalb dessen die Macht, unbeeinflusst von außen, ausgeübt werden kann.

 In einem demokratischen Staat haben alle die gleichen Grundrechte, die gegenüber dem Staat, gegenüber gesellschaftlichen, auch religiösen Gruppen, und gegenüber anderen Personen garantiert sind.

 Zwischen den Staatsorganen Regierung (Exekutive), Parlament (Legislative) und Gerichten (Judikative) besteht eine Gewaltenteilung. Die Regierenden dürfen also nicht nach ihrem Gutdünken z.B. Richter auswechseln, um Urteile zu erreichen, die ihnen passen.

 Die Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit garantieren, dass Vorgänge in Staat und Gesellschaft öffentlich gemacht und nicht unter den Teppich gekehrt werden können.

Geschichte der Demokratie

In der Geschichte der Demokratie wird gerne auf die Regierungsform im antiken Griechenland des fünften  Jahrhunderts vor Christus als erste Demokratie hingewiesen. Doch durften dort nur männliche Vollbürger ab dem 30. Lebensjahr wählen, Frauen, Zugezogene und Sklaven hatten kein Stimmrecht.

Im Laufe der Geschichte zeigten sich immer wieder demokratische Elemente, so etwa im römischen Staat, in dem die freien Bürger den Magistrat wählten. Verschiedene Staatstheorien befassten sich mit der Idee einer demokratischen Ordnung. In England entstand im 13. Jahrhundert das britischen Unterhaus (House of Commons). Die Bill of Rights von 1689 bestimmten die Grundrechte eines modernen Parlaments, indem den Parlamentariern Immunität, die Verwaltung der Finanzen und das Recht, sich versammeln zu dürfen, zugestanden wurden.  

In Deutschland entwickelten sich demokratische Bewegungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und hatten in der Revolution von 1845/46 einen Höhepunkt. In der Folgezeit gab es in den Nationalstaaten jedoch Gegenbewegungen zu den demokratischen Kräften. In diesem Zusammenhang entstand zum Beispiel die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands, die demokratischen Werten verpflichtet und Vorläuferin der heutigen SPD war. 

In der Novemberrevolution 1918 musste der deutsche Kaiser abtreten und die Republik wurde ausgerufen. Die konstitutionelle Monarchie wurde durch eine parlamentarische Demokratie abgelöst. Doch war die folgende Weimarer Republik ständig radikalen Kräften von Links und Rechts ausgesetzt und endete mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Die Anfälligkeit der Demokratie

Wie besonders der Niedergang der Weimarer Republik zeigt, entwickeln sich möglicherweise in einer Demokratie gesellschaftliche Kräfte, die der Demokratie schaden und letztlich ihr Ende bedeuten können. Schwierige gesellschaftliche Verhältnisse, Arbeitslosigkeit und allgemeine Unzufriedenheit können größer werdende Teile der Bevölkerung in die Arme radikaler und antidemokratischer Demagogen treiben. Was aus Frustration mit Protestwahlen gegen die aktuell Regierenden beginnen mag, kann unversehens in der Machtübernahme radikaler Kräfte enden.

Hier zeigt sich, dass Demokratie nur ein äußeres Gerüst ist, das mit Werten und Ideen gefüllt und belebt werden muss. Nur das, was in einer Gesellschaft lebendig ist und als Wert betrachtet wird, kann in einem demokratischen Staat zu Gesetz und Norm werden. 

Und damit beginnt ein Wettbewerb der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, auch der Religionen und Kirchen, wer das stärkere Leben und die überzeugenderen Lebenskonzepte einbringen kann. Dabei nützt ein Jammern über Zerfall von Einstellungen und Werten nichts. Allein das Zeugnis und das Engagement überzeugter Menschen werden von den anderen Menschen respektiert und in Staat und Gesellschaft  Einfluss gewinnen.

Hubertus Brantzen

Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Pastoraltheologe, Mainz.

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