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Der Körper als Tempel des Herrn

Der Körper als Tempel des Herrn 

von Alicja Kostka 

Imago Dei – die erste Botschaft der Bibel

Dass der Mensch das Abbild Gottes sei, ist die erste Botschaft der jüdisch-christlichen Offenbarung und die erste Referenz für das religiöse Selbstverständnis des Menschen, der aus biblischen Quellen schöpft. Dieser Bezug verdeutlicht sich im Laufe der Heilsgeschichte und gewinnt an Konturen, ausgehend von Genesis 1, 27-28, wo gesagt wird, dass die beiden, Mann und Frau, die Spiegelung des Schöpfers in der Natur sind: jede/jeder für sich und auch gemeinsam, aufeinander bezogen. 

Sie spiegeln Gott wider, der die Gemeinschaft der Liebe ist – so die Selbstaussage Gottes über sich selbst: die Dreieinheit der Personen, die in ihrer vereinenden und schöpferischen Liebe sich mitteilen möchte und daher nach außen fruchtbar wird. So der Mann und die Frau – einzeln und aufeinander bezogen.

Das Abbild im Leib und im Geist –
die Quellen des christlichen Würdebegriffs

Der Abbildcharakter ist in der gesamten Personenstruktur vorhanden: in der psycho-somatischen und geistlichen Dimension des Menschen. Wenn in der traditionellen Deutung die Abbildlichkeit eher im Verstand und im freien Willen verortet war und den Menschen als intelligentes und liebesfähiges Wesen beschrieb, so geht die personalistische und phänomenologische Deutung weiter und sieht auch in der Leiblichkeit des Menschen die Spuren dessen, „wie“ Gott ist, so etwa Edith Stein oder Karol Wojtyla. Das Beziehen des Abbildcharakters auf den Körper ist die logische Konsequenz der Wahrheit, dass der Mensch als Leib-Geist-Wesen eine Einheit ist. 

Dieser Spur nachgehend schreibt Pater Josef Kentenich der Frau aufgrund der symbolischen Betrachtung ihres Körpers unter anderem das partnerschaftliche Mitwirken, den bergenden Halt, das Empfangen und die Sehnsucht nach Aufgenommensein ihren besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten zu; dem Mann: die schöpferische Dynamik, das überströmende Sich-Verschenken, das kraftvolle Planen und Vorwärtsstreben. Beide Dimensionen, die des Erkennens und Liebens sowie des schöpferischen Wirkens, ergänzen sich. 

Einladung zur Beziehung: Religio

Aus der Wahrheit, dass der Mensch in seiner Gesamtheit Gott ähnelt, erwächst der christliche Würdebegriff, der jedes Leben absolut achtet. Gleichzeitig leitet sich daraus der Kern dessen ab, was die Religion ausmacht: die Einladung zur Beziehung. Weil der Mensch capax Dei ist: empfänglich für Gott, fähig, mit ihm in Beziehung einzutreten, kann er einen Dialog mit ihm eingehen, nicht nur intellektuell, sondern zutiefst existenziell. 

Diesen Dialog und die Einladung zu Beziehung setzt Gott permanent fort in der Geschichte mit konkreten, leibhaften Menschen, mit ihren originellen Geschichten und Erfahrungen, auch mit den Leibes-Erfahrungen von Anfang an. Das bezeugen die Biblischen Erzählungen, wie etwa die Begegnung Abrahams und Sarahs mit den drei Wanderern und die Einladung zur gemeinsamen Mahlzeit oder das Ringen Jakobs mit Gott am Bach Jabbok. Die Geschichte Israels mit seinem Gott ist keineswegs abstrakt. Jahwe möchte in seinem Volk wohnen, Emmanuel sein, seinen Tempel unter den Menschen, ja, zunehmend in den Menschen selbst einnehmen – ein zunächst schwer vorstellbarer Wunsch. 

Die Frohbotschaft:
Gott kommt in unsere Mitte und in uns hinein

Dabei erreicht diese Einladung zum Miteinander von Gott und Mensch in Maria ihren Höhepunkt. Der wesentliche Wendepunkt geht hier auch über den Leib, ihn absolut achtend. Gott selber wird Mensch und er heiligt den Leib Mariens, ja ihre ganze Person dadurch, dass er in ihr Wohnung einnimmt und ihr Kind wird. Ein Bild, mit dem er darauf hinweisen möchte, sich allen Menschen als Sohn Gottes mitzuteilen und mit ihnen, ja, in ihnen zu wohnen, für immer da zu sein als ihr Bruder und Herr. Gott so nahe.

Hier liegt die Antwort auf die letzte Angst des Menschen, irgendwann nicht zu sein, ein endgültiges Ende zu haben wie alle bestehenden Wesen. Eine Vorstellung, die der Unendlichkeit seines Bewusstseins zutiefst widerspricht. Jesus als Emmanuel – Gott mit uns – kommt mitten in diese Angst hinein und nagelt sie – mit sich selbst – ans Kreuz. 

Jesus als Tempel Gottes: „Gott für uns“

Jesu Mitteilung beschränkt sich nicht auf die unfassbare Verkündigung, dass Gott liebender Vater aller Menschen ist, sondern dass dieser Vater ihn, seinen einzigen Sohn schenkt, damit alle Menschen guten Willens das Leben haben, das Leben in Fülle. 

Überraschend für alle Beteiligten schenkt sich Jesus in seinem Letzten Abendmahl, das an den Vorübergang des Herrn in Ägypten erinnert und ihn auch auf eine ganz neue Weise vergegenwärtigt – als Speise für alle. Er erhöht somit das Verständnis vom Tempel: Er selber ist bereit, in den Menschen einzuziehen, besiegelt das ewige Bündnis durch sein eigenes Blut. Kann es eine tiefere Verbindung zwischen Gott und Mensch geben als die des Blutes und des Fleisches? 

Der Tempelbegriff, der dem erwählten Volk im Laufe seiner Geschichte vertraut war, erhält eine ganz konkrete und überraschende Vorstellung, ja: Inkarnation. Jesus selbst ist der Tempel Gottes und er kommt mit der Einladung, sich allen Menschen mitzuteilen. Gott ist sehr menschlich, sehr nahe, daher die bevorzugte Selbstbezeichnung Christi: der Menschensohn.

Die revolutionäre Entdeckung des Paulus:
der Mensch ist Tempel Gottes 

Die Verkündigung des Paulus, des Apostels Christi, an alle Völker beginnt mit einer Frage des Staunens: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören. Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr.“ (Kor 3, 16-17)

Eine weitere Person Gottes wird hier greifbar und eine weitere Stufe der Selbstoffenbarung und der Selbstmitteilung Gottes: der Geist Christi, den Jesus vor seinem Abschied versprochen hat, er nimmt ebenfalls Wohnung im menschlichen Herzen. Gott ganz nahe.

Paulus, der mit dem heidnischen Umgang mit dem Körper konfrontiert wurde, bringt die Neuheit des christlichen Körperverständnisses und der Körpererfahrung mit diesen Worten zum Ausdruck. Daraus ergeben sich die Konsequenzen in konkreten Handlungen des Menschen, die zu einer neuen „Tempel-Moral“ führen, der christlichen Morallehre. Auch diese achtet den Körper und nimmt ihn in Schutz.

Wir alle – ein heiliger Bau und der Leib Christi 

Dabei bleibt Paulus nicht beim individuellen Tempel-Verständnis stehen. Er sieht die Gemeinschaft der Gläubigen als einen heiligen Bau, in welchem jedes Mitglied eine unersetzliche Aufgabe zu erfüllen hat. Dieser Bau ist gleichsam lebendiger Leib Christi, von dem Herrn ständig gespeist, gestärkt und belebt: „So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Nichtbürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, erbaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Eckstein Christus Jesus ist, in welchem der ganze Bau zusammengehalten wird und zum heiligen Tempel im Herrn wächst, in welchem auch ihr mit auferbaut werdet zur Wohnung Gottes im Geist.“ (Eph 2, 19-22)

In diesem heiligen Bau, in der Kirche, lebt keiner für sich: miteinander sind wir berufen, von der Liebe Gottes Zeugnis zu geben. Und hier geht wieder die Mitteilung der Gnade nicht ohne den Körper: jedes Sakrament als Ort der sich mitteilenden Liebe und der Gnade Gottes ist irgendwie mit dem Körper verbunden und heiligt ihn, heiligt die ganze Person, heiligt auch den ganzen Organismus der Gläubigen. 

Die Konsequenzen: Du wirst nicht für immer sterben 

Die Konsequenz der göttlichen Absicht und seines konkreten geschichtlichen Handelns ist, dass Gott uns das unendliche Leben schenken will und die Auferstehung verspricht in der Erweckung des Sohnes. Das ist die letzte Konsequenz des Körperverständnisses als Tempel Gottes. Als Teil des Universums haben wir keinen Anspruch auf ewiges Leben; dies ist reine Zugabe der Liebe Gottes. Im christlichen Glauben geht es um jeden Menschen als um ein von Ewigkeit gewolltes und für Ewigkeit geliebtes Du Gottes. Gott hat stets Freude an jedem persönlich, an der Einmaligkeit eines jeden Kindes: 

„Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat …, und dich gemacht hat … Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. (…) Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe.“ (Jes 43, 1;4)

Alicja Kostka

Dr. theol., Alicja Kostka ist Mitglied des Schönstatt-Frauenbundes, Bildungsreferentin und Geistliche Begleiterin.

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Beitragsfoto: © Gorodenkoff · stock.adobe.com

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