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Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Leistungen

Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Leistungen

Menschenwürde und Gleichstellung aller

von Regina M. Frey 

Von dem Journalisten und Buchautor Peter Hahne stammt das Zitat: „Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Leistungen.“ Angelehnt ist es an ein stark verkürztes Zitat von Aristoteles, das besagt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Beide Zitate machen in unterschiedlicher Form darauf aufmerksam, dass der Mensch nicht auf seine Leistung oder seinen Beitrag zur Gesellschaft reduziert werden dürfe. Jeder Mensch hat eine Würde, die ihm jenseits weltlich fassbarer Kriterien wie Leistung, Bildung, Herkunft und Geschlecht zukommt. Die folgende Annäherung an die Frage nach der Gleichstellung der Frau möchte die Chancen aufzeigen, die das christliche Menschenbild für ein konstruktives und respektvolles Miteinander im alltäglichen Umgang beinhaltet. 

Zwei Schöpfungserzählungen – eine Gemeinsamkeit

Die Forderungen christlicher Frauen nach der Erweiterung ihrer Funktion in Kirche und Gesellschaft wurden und werden fast immer mit dem Aspekt der Gottebenbildlichkeit von Mann und Frau verbunden – umgekehrt legitimieren auch gegenteilige Stimmen damit ihre Vorbehalte. Als theologische Grundlage werden dabei die beiden Schöpfungsberichte aus dem Buch Genesis herangezogen. Während sich der erste Schöpfungsbericht im ersten Kapitel des Buches Genesis auf die Schöpfung des Menschen nach dem Abbild Gottes stützt und den Menschen – Mann und Frau gleichermaßen – in den Mittelpunkt der Schöpfungserzählung stellt, macht der zweite Schöpfungsbericht den Menschen zur Krone der Schöpfung. Dabei wird die Frau aus der Rippe des Mannes geformt, ihm gleichermaßen als Hilfe zur Seite gestellt. Neben dieser Rollenzuweisung wird auch die Beziehung der beiden zueinander definiert und in den ehelichen Kontext gehoben: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.“ (Gen 2,24) Beide Schöpfungsberichte haben in ihrer Aussage zur Stellung des Menschen im Gesamt der Schöpfung verschiedene Zielrichtungen, die sich je nach Konfliktseite allzu leicht zur Stärkung des eigenen Arguments missbrauchen lassen. Leicht kann dabei die Gemeinsamkeit beider Schöpfungserzählungen übersehen werden: Mann und Frau erhalten ihre Würde, ihr Mensch- und Personsein nicht vom jeweils anderen Geschlecht, nicht von der Anerkennung der Gesellschaft, nicht durch besondere Leistungen, sondern von Gott. „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ (Gen 1,27) 

Aus dieser Aussage entwickelte sich in der Theologie der Gedanke von der Gottebenbildlichkeit des Menschen: Mann und Frau sind gleichermaßen nach dem Bild Gottes geschaffen. Mehr noch als das Konzept der Menschenwürde macht der Gedanke der Gottebenbildlichkeit klar, woher und wohin sich der Mensch als Person ausrichtet: Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes, er kommt von Gott und er steht in einer Beziehung zu Gott. Männlichkeit und Weiblichkeit werden dabei nicht als Gegensätze dargestellt, es geht auch nicht um die Ergänzung der Geschlechter, sondern um die einzelne Person, die aus der Beziehung zu Gott heraus in Beziehung zu anderen Menschen und sich selbst treten kann. Daraus leitet sich im christlichen Menschenbild die höchste innere Würde jedes Menschen ab. 

 

Regina M. Frey

Dr. theol. ist Leiterin des Pastoralseminars der PTH Münster und akademische Rätin a. Z. am Lehrstuhl für Pastoraltheologie der LMU München. Von 2018 – 2021 war sie Frauenbeauftragte der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU.

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