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Der Theologenpapst

Der Theologenpapst

Eine kirchengeschichtliche Einordnung des Pontifikats von Benedikt XVI.

von Joachim Schmiedl (+2021)

Er war kein „unbeschriebenes Blatt“, als er 2005 zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt wurde. Seit 40 Jahren stand er im Mittelpunkt von Theologie und Kirche. Besonders aus seiner theologischen „Zunft“ hielt sich die Begeisterung jedoch in Grenzen. „Wir sind Papst“, das wollten die wenigsten Theologinnen und Theologen über den bisherigen Glaubenswächter sagen. Zu viele hatten Erfahrungen damit gemacht, dass ihre Karriere durch lehramtliche Einsprüche aus Rom ein vorzeitiges Ende gefunden oder gar nicht erst begonnen hatte.

„Sicherung des Glaubens“ war ein wichtiges Anliegen des Papstes, der sich mit seiner Namenswahl von seinen sechs Vorgängern absetzte. Dagegen bezog er sich auf den Mönchsvater und Ordensgründer Benedikt von Nursia, dessen Klöster seit dem Mittelalter zur Stabilisierung der Gesellschaft beitragen, auf Benedikt XIV., der im 18. Jahrhundert als Intellektueller auf dem Papstthron galt und auf den die bis heute geltende Ordnung der Selig- und Heiligsprechungsprozesse zurückgeht, und auf Benedikt XV., den Papst in der Zeit des Ersten Weltkriegs, der mit seiner Friedensinitiative gescheitert ist, der Kirche aber sowohl ein neues Gesetzbuch als auch die Emanzipation von Missionsgebieten zu eigenständigen Ortskirchen gebracht hat. 

Skeptisch gegenüber der „Weltseligkeit“

Benedikt XVI. war der „Theologenpapst“. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gehörte er zu den jüngsten Beratern. Vor allem an der Dogmatischen Konstitution über die Offenbarung „Dei Verbum“ war er maßgeblich beteiligt. Auch die Aufsehen erregende Rede des Kölner Kardinals Josef Frings gegen die inquisitorischen Methoden des Heiligen Offiziums stammte weitgehend aus seiner Feder. Deshalb galt er als Vertreter der progressiven Richtung unter den Theologen und Bischöfen. Doch es waren nicht erst die studentischen Unruhen des Jahres 1968, die er in Tübingen erlebte, wohin ihn sein fast gleichaltriger Kollege Hans Küng geholt hatte, sondern bereits die seiner Meinung nach zu turbulente und zu sehr auf äußerliche Veränderungen statt auf Glaubensvertiefung setzende Umsetzung des Konzils, die ihn skeptisch werden ließen. Was er 1966 auf dem Bamberger Katholikentag diagnostizierte, sprach er bereits während des Konzils an: Es herrsche zu viel Weltseligkeit; der Skandal des Kreuzes werde zu wenig ernst genommen. 

Joachim Schmiedl (+2021)

Prof. Dr. theol., Schönstatt-Pater, Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte Vallendar, stellv. Vors. des Katholisch-Theologischen Fakultätentags, Chefredakteur von „Regnum“. Gestorben 2021.

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