Die Botschaft des kleinen Anfangs
von Hans-Martin Samietz
Am Beginn jeder Osternachtsfeier hören die Versammelten in dem dann von vielen Kerzen erleuchteten Kirchenraum das gesungene Osterlob, das Exsultet. Der Hauptteil seines Textes, den wir heute zu hören bekommen, stammt aus dem 4. bis 5. Jahrhundert. Zwischen seiner Abfassung und den Abfassungen der Ostererzählungen in den Evangelien liegen ungefähr 400 Jahre. 400 Jahre, in denen das Ereignis der Auferstehung Jesu Christi, in den Herzen von Millionen Christinnen und Christen weiterhallte, sich einbettet in die je konkret vorhandenen Verstehenshorizonte. Es wurde weitererzählt und bezeugt von Generation zu Generation, von Mensch zu Mensch.
Die Ostererzählungen und der Anfang der Liturgie in der Osternacht ähneln trotz der Jahrhunderte, Kulturen und Generationen zwischen ihnen in einer Sache einander sehr: Die Wahrnehmung des Ereignisses der Auferstehung in menschlichen Seelen wird in beiden Textzeugnissen als kleiner, eng begrenzter Anfang gezeichnet und zeugt sich von Person zu Person fort. Am Ende wird es aber zu einer mächtigen kulturprägenden Kraft.
Was ist die Botschaft hinter dieser Logik? Das Ereignis der Auferstehung will behutsam entdeckt und entschieden bezeugt werden, unabhängig von seiner in sich bereits vorhandenen mächtigen Realität. Jeder von den drei Aspekten scheint wichtig für das Wirken der Osterbotschaft, behutsam entdeckt zu sein, entschieden bezeugt zu werden und am Ende sehr mächtig zu sein.
Behutsam entdeckt
Erlösung geschieht nach jüdisch-christlicher Tradition immer in Verbundenheit mit konkret erlebter Geschichte. Sie ist keine Magie, der wir uns nur zu ergeben hätten oder vor der wir nur staunend aber tatenlos zu stehen hätten. Erlösung soll an jedem Menschen einzeln ganz persönlich geschehen, so der Plan. Denn das Aufgehen eines neuen Himmels und das Aufbrechen einer neuen Erde muss nach dem Plan Gottes einhergehen mit dem Werden neuer Menschen. Die Transformation, die Erlösung meint, geschieht notwendigerweise innerhalb nicht außerhalb ganz konkret gelebter und erlebter Geschichte.
Natürlich ist Erlösung ihrem Wesen nach eine Realität, die von keiner Macht eines Menschen ausgeht, sondern allein durch Gott verursacht ist. Doch ihren wirksamen Widerhall hat diese Realität nur in den Herzen von Menschen. Was nicht durch den Menschen als Erlösung wahrgenommen wird, existiert für ihn nicht als solche.
Diese Verbindung von Erlösung und konkret erlebter Geschichte akzentuieren die Evangelien und der Exsultettext dann unterschiedlich. Den Ostererzählungen der Evangelien, besonders die, die den frühen Ostermorgen in den Blick nehmen, ist es wichtig, das die paar Frauen, die dem Auferstandenen zuerst begegnen, konkret beim Namen genannt sind. In den Evangelien sind maximal fünf Frauen beim Namen genannt, in denen das Erleben der Realität der Auferstehung beginnt. In jedem Evangelium ist in den Erzählungen vom Ostermorgen der Name Maria aus Magdala genannt. Dann werden dort noch die Namen, „Maria, die Mutter des Jakobus“ erwähnt sowie „Salome“, „Johanna“ und eine „andere Maria“.
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