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Die soziale Dimension des Liebesbündnisses

Die soziale Dimension des Liebesbündnisses

von Hans-Martin Samietz

Unsere Gesellschaft ringt neben all den aktuell bedeutsamen, globalen Ereignissen (Migration, Erderwärmung, Infektionsrisiken, das Erstarken populistischer Strömungen) im Moment ganz wesentlich um die Frage, welche Ideen und welche Akteure denn in Zukunft ihre integrierende Mitte verkörpern können und sollen. Eine schlüssige Antwort auf diese Fragen scheint selbst für politische Profis und soziologische Experten alles andere als in näherer Reichweite. Andreas Reckwitz, Inhaber des Lehrstuhles für Kultursoziologie und Allgemeine Soziologie an der Humboldt-Universität Berlin, reflektiert in einer seiner jüngeren Veröffentlichungen in diesem Zusammenhang ausführlich über Das Ende der Illusionen (Sammlung von fünf Essays zum gesellschaftlichen Strukturwandel, Oktober 2019).

Symptome eines irritierten Systems

Wir können die Brisanz dieses gesellschaftlichen Ringens ablesen an verschiedenen öffentlichen Ereignissen und auch an Entwicklungen im privaten Bereich.

Am 5. Februar vergangenen Jahres zum Beispiel gratulierte der damalige Ostbeauftragte der Bundesregierung Christian Hirte (CDU) dem am selben Tag kurz zuvor in einer dramatischen Abstimmung im Thüringer Landtag frisch gekürten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) per Twitter mit folgenden Worten: „Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats.“ Er nahm diesen Tweet nicht von der Plattform, wie es andere Unionspolitiker, die ebenfalls pünktlich gratulierten, dann doch sehr schnell taten. Diese seine Positionierung nach der Wahl eines neuen Thüringer Ministerpräsidenten kostete Hirte drei Tage später sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär auf Bundesebene.

Hans-Martin Samietz

Mitglied der basis-Redaktion. Schönstatt-Pater.

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