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Fest im Sattel

14 junge Menschen mit Ihren Fahrrädern vor einem Weinberg

Fest im Sattel 

Junge Menschen leben Kirche auf einer 520 Kilometer langen Radtour

von Julia Spindler

Am frühen Morgen hatte es noch gut ausgesehen. Frisch gestärkt und voller Motivation schwangen wir uns auf unsere Sättel. Doch wie der Wetterbericht es vorhergesagt hatte, entwickelten sich die vereinzelten Tropfen zu einem ununterbrochen starken Regen. Regenjacke, Hose und Capes konnten da nicht lange standhalten. Während wir uns also Tritt für Tritt und nass bis auf die Haut durch den kalten Regen kämpften, hofften wir, bald an einem trockenen Platz für die Mittagspause anzukommen. Unsere Erwartung wurde mehr als erfüllt! Unser Verpflegungsteam schickte uns den Standort im nächsten Dorf. Dort vor einem Gehöft empfing uns eine ältere, zierliche Frau mit zwei Kannen Kaffee in der Hand sowie einem herzlichen Lächeln auf den Lippen und wies uns den Weg in die trockene Tenne des Hofes. In der Tenne erwartete uns dann unser Verpflegungsteam, gut gelaunt mit einer warmen Suppe.

Gott eine Woche schenken

Was war es, dass uns diese Szene bei der Rückschau unserer Fahrradwallfahrt so beispielhaft in Erinnerung behalten ließ, dass keinen von uns im Regen vorher aufgeben ließ und jeden dazu motivierte, weiter den Weg zu radeln?

Im Laufe des Mittagessens gesellte sich die Familie der Bäuerin zu uns, mit einer offenen Herzlichkeit und echtem Interesse daran, warum wir auf diese Weise miteinander unterwegs waren. Wir, zwölf junge Erwachsene im Alter zwischen 23 bis 35 Jahren, hatten uns auch dieses Jahr wieder gemeinsam auf eine Wallfahrt mit dem Fahrrad von Memhölz im Allgäu zum Urheiligtum nach Schönstatt aufgemacht, um gemeinsam eine Woche unseres Alltages und unserer Zeit Gott zu schenken. Neben den geradelten Kilometern erlebten wir dabei die Kraft der offenen Herzen zahlreicher Menschen, die uns auf ihre je eigene Weise auf einem Stück unseres Weges unverhofft begleiteten und unterstützten. Durch diese Begegnungen verstanden wir tiefer, was es heißt, von Gott selbst angenommen und geliebt zu sein. Wir erfuhren die Wallfahrtsgnade der Beheimatung.

„Darf ich erwarten, dass meine Traumfrau gläubig ist?“

Es waren solche und ähnliche Fragen, die uns bewegten. In einer Phase des Lebens, in der wir der Jugend entwachsen waren und in der es gilt, selbst lebensbedeutsame und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen, ringen wir darum, uns selbst anzuschauen und den ganz individuellen Plan Gottes für uns zu erkennen. Es kostet Mut, solche Fragen, die einen bewegen, offen zu stellen, und es braucht Räume, in denen man um solche Themen miteinander ringen kann. Eines Abends eröffnete ein Teilnehmer mit jener Frage eine Tiefe, die die Gesprächskultur der nächsten Tage entscheidend prägte. Durch das Fahrradfahren war unterwegs im Sattel viel Zeit, um – oft zu zweit – ins Gespräch zu kommen. Zugleich war aber auch genügend Zeit, für sich und mit Gott ganz persönlich sein zu können. Wir lernten unsere tägliche „Sahara-Stunde“ im Sattel sehr zu schätzen, um in der Stille zum Gebet zu kommen, über den Impuls vom Morgen bzw. über die Themen, die einen gerade so bewegen, nachzudenken, oder um einfach nur staunend über so viele Eindrücke von der sich ständig wandelnden Landschaft mit ihren Weinbergen, Burgen und Flüssen dahin zu radeln.

Gott wandelt Herzen

Wenn wir jeden Abend nach einem anstrengenden Tag in unserer Unterkunft angekommen waren und uns alle zur Heiligen Messe versammelten, um Gott zu loben, zu danken und ihm die Ehre zu erweisen, ging es uns nicht darum, ein Pflichtprogramm zu absolvieren. Wir spürten vielmehr, dass es jedem einzelnen von uns wirklich darum ging, zu Gott zu kommen. Er hat uns für diese Tage zusammengeführt. Er hat sein Leben für uns hingegeben, also wollten wir ihm auch unsere Zeit und unsere kleinen Strapazen dieser Tage schenken. Wir merkten, dass nicht wir sind es, die diese Fahrradtour zu etwas Besonderem machten, sondern er es ist, der Türen öffnet, der uns hilft, unsere Unvollkommenheit anzunehmen und der uns den Mut schenkt, an uns zu arbeiten, um durch ihn noch liebesfähiger zu werden. Und so war es im Tiefsten auch er, der uns verwandelte. Im Innersten eines Herzens kann nur dann eine Wandlung zum Leben hin stattfinden, wenn es die Möglichkeit und den Raum bekommt, zur Ruhe zu kommen und gehört zu werden und daraus die Kraft zu gewinnen, täglich neu zu beginnen. Wir erfuhren die Gnade der seelischen Wandlung.

Diese Fahrt verändert unsere Plätze im Alltag 

Mit jedem Tag rückte unser Ziel bald fast wie im Flug näher. Verwöhnt von der Sonne, war längst vergessen, dass es zu Beginn der Woche geregnet hatte. Auch wie viele Kilometer wir geradelt waren, hatte keine Bedeutung mehr. Worauf es ankam, war mit einem erfüllten Herzen Schönstatt zu erreichten. Eine große Dankbarkeit fühlten wir auch für so viele kleine und große Momente, all die Menschen, die uns beschenkt hatten und den Weg, der von den je ganz persönlichen Anliegen geprägt war.

Eine der Teilnehmerinnen sagte bei unserem Picknick am Ziel, während wir mit Blick auf Schönstatt den Sonnenuntergang betrachteten: „Ich glaube, die Fahrradtour hat nicht nur uns verändert, sondern sie sendet uns an unsere Plätze im Alltag, um dort zum Licht für viele zu werden.“ Und das war es, was wir beim Wallfahren erfahren durften. Als Pilger unterwegs zu sein und doch immer wieder auch Heimat zu erfahren, uns verwandeln zu lassen und genauso auch die Menschen um uns herum zu verwandeln, und schließlich so viel zu empfangen, dass wir damit ausgerüstet auch gesendet sind, um Licht für die Welt zu sein und mitten unter uns Kirche zu leben. So blieb an Ende der Tour nur noch eines zu sagen: Nichts ohne dich, nichts ohne uns! 

Julia Spindler

ist Referendarin und angehende Realschullehrerin für die Fächer katholische Religionslehre, Deutsch und Sozialwesen.

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Foto: © privat