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Freiheit als Ausgewogenheit menschlicher Seelenkräfte

Freiheit als Ausgewogenheit menschlicher Seelenkräfte

Eine Revision der Pädagogischen Tagung Josef Kentenichs 1951

von Hans-Martin Samietz

Leben wächst aus einer Ganzheit in eine Ganzheit. Es gleicht nicht einer Pyramide, das menschliche Leben, in dem mit aufsteigendem Alter auch die Lebensfülle davonschwimmt. Lebensfülle ist zu jedem Zeitpunkt der menschlichen Biografie in gleichem Umfang vorhanden. Was sich entlang der Biografie eines Menschen verändern muss, damit er die zu einem Zeitpunkt jeweils vorhandene Lebensfülle ergreifen kann, ist sein Vermögen, sich zur Welt, die ihn umgibt, in Beziehung zu setzen. Es kann wie das Erlernen einer neuen Sprache sein, die Beziehung zur Welt nach Erleiden einer persönlichen Wachstumskrise neu zu versuchen. Dass Beziehung zur Welt Ausdruck einer „Sehnsucht nach Gott“ (Frömbgen – Hrsg. – 1971, S. 24) sei, das ist die Grundthese Josef Kentenichs in seiner Pädagogischen Tagung 1951.

Die Entwicklung von Erlebnisfähigkeit entlang der menschlichen Biografie (Erikson)

In der pädagogischen Tagung vom 2. bis 5. Oktober 1951 setzt sich Josef Kentenich mit der Frage auseinander: Ist religiöses Verhalten mehr als eine bloße Bewältigungsstrategie der menschlichen Psyche zur Herstellung von Einheit im Gewirr innerer und äußeren Impulse? Wie sein Zeitgenosse Erik Erikson (dieser im Anschluss an Siegmund Freud) nimmt Kentenich ebenfalls so etwas wie ein Integrationszentrum innerhalb der menschlichen Psyche an, welches die verschiedenen Impulse in eine Vorstellung von der Einheit der eigenen Person integriert. Die psychoanalytische Schule (Freud, Erikson, u. a.) sieht vor allem in der Verarbeitung der sexuellen Impulse durch das menschliche Bewusstsein so einen Integrationsvorgang. Intensität und Kontext dieser Impulse entlang der menschlichen Biografie sind dabei sehr unterschiedlich und bauen aufeinander auf. Im Laufe der menschlichen Biografie ergibt sich nach Freud und Erikson so etwas wie ein Hindernislauf des eigenen Identitätsbewußtseins hinweg über die Impulse aus dem Unterbewusstsein. Bleibt man in diesem Bild, dann sind Stil und Technik des Hindernisläufers, der Hindernisläuferin nach Erikson jedoch kulturell vermittelt. (Kindheit und Gesellschaft 1957 / Identität und Lebenszyklus 1959)

 

Hans-Martin Samietz

Schönstatt-Pater.
Mitglied der basis-Redaktion.

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