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Gehst du ein Stück mit?

Gehst du ein Stück mit?

Geistliche Begleitung als Lebens- und Glaubenshilfe

von Hubertus Brantzen

Die Lebenswege sind individuell und einmalig. Kein Lebensweg gleicht dem anderen. Selbst bei Geschwistern, die ihre Erziehung in der gleichen Familie genossen, verlaufen die Lebenswege oft so unterschiedlich, dass man meinen könnte, sie stammen aus verschiedenen Lebensbereichen. 

So einmalig die Lebenswege verlaufen, so originell gestalten sich die Glaubenswege. Eltern, die auf eine religiöse Erziehung Wert legen, wundern sich nicht selten, wie ein Teil ihrer Kinder sich im Laufe der Jugend- und Erwachsenenzeit weiterhin an ihren religiösen Einstellungen orientiert, ein anderer Teil aber ganz Abstand nimmt zu allem, was mit Glauben und Kirche zu tun hat.

Anlässe, sich eine Begleitung zu suchen

Alle Menschen benötigen Hilfe bei der Bewältigung ihres Lebensweges. Meist entwickeln bereits Kinder eine bestimmte Affinität zu Menschen, denen sie in besonderer Weise vertrauen und denen sie kleine und größere Geheimnisse anvertrauen. Das sind in der Regel zunächst die Eltern, dann aber zunehmend auch andere Personen aus dem näheren Lebensumfeld wie die Großeltern oder auch die Erzieherinnen im Kindergarten. Wichtig bei der Wahl der Vertrauenspersonen ist, wie sensibel diese für die Sorgen der Kinder sind, ob sie ihnen bewusst Zeit und Aufmerksamkeit schenken und ihnen Freiheit lassen für neue Lebensschritte. Für Heranwachsende werden Gleichaltrige immer wichtiger, Freunde oder die „besten Freundinnen“ werden zu Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern.

Innerhalb einer Ehe können sich die beiden Partner gegenseitig begleiten. Je nach dem Grad ihrer Vertrautheit können sie sich zum Coach des anderen entwickeln, einander beratend zur Seite stehen in vielen Fragen des alltäglichen Lebens, des Berufs, der Lebensgestaltung, der Weltanschauung und der Bewertung von Vorgängen in der nahen und entfernteren Umgebung.

Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass in krisenhaften Situationen diese Art von Begleitung nicht ausreicht, besonders wenn jene Grundbeziehungen selbst gestört sind. Dann ist es gut und notwendig, sich Hilfe von außen zu holen, jemanden, der ohne Bewertungen und Voreinstellungen begleiten kann. Dabei muss nicht immer gleich eine therapeutische Begleitung angezeigt sein, wie ein Scheidungsrichter berichtet.

Dieser konnte sich nicht damit abfinden, dass Paare, die die Scheidung einreichten, zwangsläufig auseinander gingen. Er bat andere, erfahrene Ehepaare, Scheidungswilligen Krisengespräche anzubieten. In vielen Fällen stellte sich heraus, dass kleine Anlässe sich bei den Betroffenen mit der Zeit so aufbauschten, dass für die beiden kein Ausweg mehr in Sicht war. In einfachen Gesprächen gelang es, vermeintlich unlösbare Beziehungsknoten zu lösen. Das Ergebnis: Ein Drittel der Paare zog die Scheidungsklage zurück.

Hubertus Brantzen

Prof. Dr., Pastoraltheologe, Mainz.

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