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Gottes ewiger Bund mit seinem Volk

Gottes ewiger Bund mit seinem Volk

von Bernd Biberger

Die Beziehung zwischen JAHWE und dem Volk Israel wird in der Heiligen Schrift an vielen Stellen mit der Kategorie des Bundes beschrieben. Der Bund bringt zum Ausdruck, dass JAHWE der Gott Israels und dass Israel das Volk JAHWEs ist.

Kulturelle Hintergründe

Anders als im modernen Verständnis bezeichnet der Bund in der Bibel jedoch nicht das Verhältnis zwischen zwei gleichberechtigten Bündnispartnern, sondern es ist das Verhältnis zwischen einem Hochrangigen und seinen Untergebenen. Es ist das Verhältnis zwischen König und Volk, zwischen Schöpfer und Geschöpf, zwischen Gott und Mensch.
Seinen kulturellen Ursprung hat der biblische Bundesgedanke im altorientalischen Vertragswesen. Diese Verträge regeln die Beziehung zwischen einem Großkönig und seinem Vasallen. Sie benennen die Pflichten des Vasallen, wie z. B. Steuerabgaben, Stellung von Soldaten für Kriegsunternehmungen, und regeln die Rechte des Großkönigs, wie z. B. seine Weisungsbefugnisse und die Art und Weise seiner Verehrung.

Der „Vertrag“ Gottes mit seinem Volk

Dieses Vertragskonzept wird in der biblischen Theologie aufgegriffen. Nach der Befreiung aus Ägypten schließt Gott am Berg Sinai / Horeb mit Israel einen Bund (Ex 24 / Dtn 5). In diesem Bund verpflichtet sich Gott, Israel in ein Land zu führen, in dem es in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand leben kann. Israel verpflichtet sich, allein JAHWE als seinen Gott zu verehren und seine Gebote zu befolgen. Bundesurkunde sind die beiden Tafeln mit den Zehn Geboten. Es ist ein gegenseitiger Bund, weil sich beide Bundespartner zu etwas verpflichten. Gemäß einem Vertrag bedeutet das aber auch, dass dieser Bund endet, wenn einer der beiden Partner bundesbrüchig wird.
Gott erfüllt seine Verpflichtung und führt das Volk in das verheißene Land, wo es über viele Jahrhunderte lebt. Als das Volk jedoch zunächst den nördlichen Teil des Landes in der Auseinandersetzung mit den Assyrern (722 v. Chr.), später den südlichen Teil durch die Eroberung der Babylonier (586 v. Chr.) verliert und die Oberschicht ins Exil deportiert wird, erkennt Israel, dass nicht Gott untreu, sondern das Volk bundesbrüchig geworden ist, weil es gegen das erste der Zehn Gebote verstoßen und andere Götter verehrt hat und trotz der Mahnung der Propheten nicht umgekehrt ist. Damit aber war Gott nicht mehr an die Zusage der Landgabe gebunden. Das führt zu einer tiefgreifenden religiösen Krise: Ist damit der Bund für immer gebrochen? Hat JAHWE sich endgültig von Israel zurückgezogen? Als Antwort auf diese Frage haben sich mehrere theologische Bundeskonzepte entwickelt.

Erinnerung an Abraham – Hoffnung für die Zukunft

Eine Lösung bot die Erinnerung an die Verheißungen Gottes an Abraham. Diese wurden als Bundesschluss Gottes mit Abraham verstanden (Gen 15; 17). Gott hat sich Abraham gegenüber verpflichtet, ihn zu einem großen Volk zu machen und ihm ein Land zu geben, in dem seine Nachkommen wohnen können. Abraham selbst wurde keine Verpflichtung auferlegt. An die Stelle des Konzeptes eines bedingten Bundes, in dem sich beide Partner verpflichten, tritt das Konzept eines Bundes, in dem allein Gott eine Verheißung ausspricht, die nicht an eine Bedingung seitens des menschlichen Bundespartners gebunden ist. Der Mensch wird zum Verheißungsempfänger.
Einen solchen Bund kann der Mensch nicht brechen. Da Gott treu ist und deshalb den Bund nicht brechen wird, bleibt dieser Bund auf ewig bestehen. Der Bundesschluss Gottes mit Abraham geht dem Bundesschluss am Berg Sinai zeitlich voraus, hat also Vorrang. Auch wenn der am Berg Sinai von Gott geschlossene Bund gebrochen ist, fällt das Volk durch den Verlust der Landgabe nicht aus dem Bund heraus, denn es ist ja im Bundesschluss mit Abraham gesichert. Dieser Bundesschluss bedeutet Hoffnung: Da Gott an seinen Verheißungen an Abraham festhält, wird er das Volk wieder in das Land zurückführen. Israel hat eine Zukunft.

Die Erneuerung des Menschen

Eine andere Lösung ist die Erneuerung des Bundes. Zu den Texten, die diese ankündigen, gehört Jer 32,36-44. Kernstück dieses Textes ist die Ankündigung eines ewigen Bundes: „Ich schließe mit ihnen einen ewigen Bund, dass ich mich nicht von ihnen abwenden werde, sondern ihnen Gutes erweise.“ (V.40) Der Bund wird ewig sein, weil Gott sich nie mehr von seinem Volk abwenden wird. Er wird ihnen Gutes erweisen, d.h. es wird kein Gericht mehr über Israel kommen. So wie er Unheil über das Volk gebracht hat, so wird er nun Heil bringen (V.42). In Zukunft wird Israel wieder das Volk Gottes und JAHWE der Gott Israels sein. Der Fortbestand des Bundesverhältnisses wird bekräftigt (V.38).
Dieser ewige Bund kennt zwei Elemente: Gott kündigt an, das in alle Himmelsrichtungen versprengte Volk zurückzuholen (V.37). Er macht also die Zerstreuung Israels und damit den Verlust der Landgabe rückgängig. Ausdruck dafür ist, dass man wieder Felder und Äcker kaufen und dafür Kaufurkunden ausstellen wird (V.43-44). Gott verpflichtet sich also erneut, dem Volk das Land zu geben.
Gleichzeitig verheißt er die Erneuerung des Volkes. Gott selbst wird dafür sorgen, dass die Israeliten allein danach streben, ihn zu „fürchten“ (V.39). „Fürchten“ meint in diesem Zusammenhang nicht „Angst“, „Schrecken“, sondern es bedeutet, dass Israel allein JAHWE als seinen Gott verehren wird (im Sinne der Ehr-„furcht“). Ja, Gott selbst wird ihnen die „Furcht“ vor ihm ins Herz legen, damit sie nicht von ihm weichen (V.40). So wie er sich nicht mehr von ihnen abwendet, so werden auch sie nicht mehr von ihm weichen und andere Götter verehren.
Die „Vertragselemente“ des Bundes sind also dieselben wie im Bundesschluss am Sinai: die Gabe des Landes und die Alleinverehrung JAHWEs. Neu ist jedoch, dass Gott selbst durch die innere Erneuerung des Volkes, durch die Veränderung des Herzens dafür sorgen wird, dass Israel fähig wird, allein seinen Gott zu verehren und ihm treu zu sein. Der Mensch ist aus sich selbst heraus zu dieser Treue nicht fähig, aber Gott kann das Herz des Menschen durch seine Gnade formen, dass er treu sein kann. Dieses Bundeskonzept finden wir in ähnlicher Form in Jer 31,31-34 (der neue Bund) und Ez 36,24-28.

Der neue und ewige Bund in Jesus Christus

Am Abend vor seinem Tod feiert Jesus mit seinen Jüngern das Abendmahl. Brot und Wein werden zu seinem Leib und Blut. Sie werden zum Zeichen seiner Hingabe am Kreuz, zum Ausdruck des neuen und ewigen Bundes (vgl. 1 Kor 11,25; Mk 14,24). Durch die Hingabe Jesu am Kreuz erlöst Gott den Menschen.
Indem sich der göttliche Sohn bedingungslos und vollkommen in den Willen des himmlischen Vaters hineingibt, heilt er die Abwendung des Menschen von Gott. Indem Gott den Menschen von Sünde und Tod befreit, schafft er den neuen Menschen (vgl. Kol 3,10; Eph 2,15), der befähigt ist, Bundespartner Gottes im neuen und ewigen Bund zu sein.
Zugesagt ist uns nicht mehr die Gabe des Landes, sondern die Gabe des göttlichen Lebens, an dem wir durch unsere Taufe Anteil erhalten. Der neue und ewige Bund bedeutet: Gott steht auf ewig treu zum Menschen.

Bernd Biberger

PD Dr. theol, Privatdozent Altes Testament Bonn, Generaldirektor der Schönstätter Marienschwestern, Mitglied des Schönstatt-Instituts Diözesanpriester. .

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