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Homosexualität und Kirche

Männliches Paar am Frühstückstisch

Homosexualität und Kirche

von Klaus Glas

Vor einiger Zeit traf ich – nach über 30 Jahren – einen alten Kameraden aus der Schönstatt-Mannesjugend (SMJ) wieder. Wir waren als Referenten bei einer Tagung eingeladen. Beim Beisammensein am Abend kamen wir darauf zu sprechen, wie unsere Verbindung zur Schönstatt-Bewegung heute sei. Ich erwähnte, mit meiner Frau würde ich mich bei den Familien engagieren. Ob das bei ihm auch so wäre. Er zögerte kurz und sagte: „Wie soll das gehen mit meinem Mann?“

Anstößige Worte

Natürlich war ich in dieser Situation etwas irritiert. Irritiert kann man auch reagieren, wenn man sich mit Begriffen wie „Schwule“, „Lesben“ oder „Homosexuelle“ konfrontiert sieht. Einige Christen empfinden allerdings auch Abscheu und weigern sich, derartige Worte auszusprechen. Wenn man sagt „Herbert ist homosexuell“, verbindet man damit, dass dieser Sex mit anderen Männern praktiziert – unabhängig davon, ob das stimmt oder nicht. Mit der Mitteilung „Heinrich ist heterosexuell“ erntet man dagegen Gelächter. 

Menschen mit homosexueller Orientierung bemühen sich um eine geschlechtergerechte Sprache. Dabei werden bestimmte Begriffe oder Abkürzungen genutzt. Eine längere Abkürzung lautet so: LSBTIQ+. Die Buchstaben stehen für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, inter und queer; das Plus-Zeichen verweist auf weitere sexuelle Orientierungen. Wahrscheinlich wird sich künftig das einfache Wörtchen „queer“ (sprich: kwier) durchsetzen. Es stammt aus dem englischen Sprachraum und bedeutet seltsam, eigenartig oder verrückt. Anfangs wurden Bezeichnungen wie „lesbisch“, „schwul“ oder „queer“ diskriminierend gebraucht. Aus den einstigen Schimpfworten sind mittlerweile Selbstbezeichnungen geworden, welche die queere Gemeinde mit Stolz verwendet.

Wie viele Menschen sind homosexuell?

Homosexualität gibt es auf der ganzen Welt: von den Niederlanden, das weltweit als erstes Land die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt hat, bis hin zu Nigeria, wo das Thema tabuisiert wird und homosexuelle Handlungen vom Staat bestraft werden. Wie viele Menschen hetero- oder homosexuell sind, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Aufgrund von Umfragen, die in Europa und in den USA durchgeführt wurden, geht man davon aus, dass zwei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen eine ausschließlich schwule bzw. lesbische Identität haben. Rund sechs Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen haben schon einmal ein gleichgeschlechtliches sexuelles Erlebnis gehabt. Der Geschlechterunterschied wird auf die höhere „erotische Plastizität“ des weiblichen Geschlechts zurückgeführt. So ist bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, bisexuelle Empfindungen zu haben und auch auszuleben, höher als bei Männern.Wie man sieht, ist sexuelles Verhalten nicht gleichbedeutend mit sexueller Identität. Es ist bekannt, dass in Gefängnissen gelegentlich gleichgeschlechtliche Beziehungen aufgenommen werden, ohne dass sich die Männer oder Frauen als schwul oder lesbisch bezeichnen würden. 

Auf der ersten Seite der Bibel lesen wir: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie“. (Gen 1,27) Diese binäre Geschlechts-identität stellt man in der Psychologie in Frage. Die sexuelle Orientierung wird als ein dimensionales, abgestuftes Person-Merkmal betrachtet. Jede Person kann hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung auf einer siebenstufigen Skala platziert werden. Neben den beiden Endpunkten „ausschließlich heterosexuell“ vs. „ausschließlich homosexuell“ gibt es fünf weitere Abstufungen, wie etwa „heterosexuell, mit umfangreicher homosexueller Erfahrung“.  

 

Klaus Glas

Klinischer Psychologe in eigener Praxis,
www.hoffnungsvoll-leben.de mit psychologisch-pädagogischen Lebenshilfen.

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