0261.604090

Konflikt – Wandel – Zukunft. 

Marianische Mentalität als Antwort

von Maria Wolff

Wieder eine Nacht um die Ohren geschlagen – es sind einfach zu viele Baustellen, Konflikte und Unsicherheiten, die mich  umtreiben: in Gesellschaft und Politik mit ihren widersprüchlichen Vorstellungen zu Würde und Lebensschutz des Menschen; im Betrieb, in der Gemeinde mit ihrer Resignation und fehlenden Kreativität – und dazu einem Klima der Aggression der „Wut-Katholiken“ einerseits und der Klagen unserer „frommen“ Kirchenmitglieder, die sich Nase rümpfend zum Rest der Gemeinde abgrenzen. In diese Aufzählungen passt auch noch der Synodale Prozess mit seinen Interessengruppen und auch so manche Turbulenzen in unseren geistlichen Weggemeinschaften. Fazit: viel an Wandel, Konflikt und Polarisierung. 

Ein Ringen um den rechten Weg ist völlig normal. Nur – wie kommen wir weiter?

Im Römerbrief 12 lesen wir:

„Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“

Als Christen haben wir möglicherweise in Konflikt- und Übergangessituationen andere Handlungskriterien als Menschen „nur von dieser Welt“. 

Wir befinden uns in der Zeitspanne zwischen dem Fest Verkündigung des Herrn am 25. März und dem Marienmonat Mai. Für uns ein Anlass, von ihr Anregungen für unseren Umgang mit Wandel und Konfliktsituationen zu bekommen. Wir können ihre Mentalität und Grundhaltungen wahrnehmen. 

Marianische Grundhaltungen als Handlungskriterien

 Grundannahme Verwiesenheit

Ich bin nicht der alleinige Macher des Lebens – mein Denken, Entscheiden und Handeln hat seinen Bezugspunkt letztlich in Gott, meinem Schöpfer und Herrn unseres Lebens. Klingt logisch, aber leider fällt es uns oft erst sehr verzögert ein, wenn wir mitten im Dilemma stecken. Wie oft regen wir uns auf und verzweifeln daran, dass alles quer läuft oder wir komplett den Durchblick verloren haben. Momentan geht das vielen Menschen an vielen Stellen so. Dann wirklich Gott als den Steuermann des Lebens nach Wegweisung anzufragen – das ist im normalen Alltag nicht selbstverständlich. Von Maria wissen wir wenig Einzelheiten. Aber wir entnehmen der Schrift: Für sie war Gott der Steuermann ihres Lebens.

 Einkehr ins eigene Herz 

Schon in den frühen Traditionen der Kirche wird Maria auf ihren verschiedenen Stationen als Frau des Gebetes dargestellt. Wie schnell meint man, dass bei kirchlichen Zusammenkünften alles Gesagte vom Geist Gottes kommt. „In uns allen wirkt der Heilige Geist.“ Aber nicht immer, wenn wir den Mund auf machen, ist das gleich ein Erguss des Heiligen Geistes. Maria erscheint in der Bibel als aktive Frau, die aus der Herzensmitte heraus agiert. Eine besonnene Berufene, die einen tiefen Persönlichkeitskern vermuten lässt und die im Heiligtum ihres Herzens die Begegnung mit dem Heiligen Geist sucht. 

 Hören statt Verharren

Kürzlich sah ich eine Mariendarstellung mit einem leicht größeren Ohr der Gottesmutter. Es bedeutet: Hören auf die Stimme Gottes, in innerer Ruhe und echter Offenheit. Man hat seine Sichtweisen und sucht sich dann immer das, was diese bestätigt. Ein ruhiges Hinhören – das ist nicht immer einfach, vor allem nicht in Krisen, aber gerade da besonders wichtig. Das bedeutet allerdings nicht automatisch Zustimmung, sondern Aufnehmen, innere Weitung der Wahrnehmung. Es bedeutet, die eigenen Interpretationsfolien und Schubladen mal beiseite zu lassen. Zum echten Hören auf die Stimme Gottes im Säuseln des Windes fehlt uns im Eifer des Gefechtes schlichtweg der Nerv und wir verharren im Eigenen.  

 Realitäten anschauen können

Was Maria wohl gedacht hat, als man Jesus in Nazareth vom Abhang hinunterstürzen wollte? Oder als er mit dem ihm eigenen Anspruch aufgetreten ist? Was ging in ihr an Karfreitag vor? Von ihr ist nicht die Rede, dass sie abgewimmelt, beschwichtigt oder erklärt hat. Offenbar gehörte es zu ihrer Lebensart, die Realitäten zu sehen, auszuhalten und zu erwägen. 

Bei Konflikten und Polarisierungen ist das größte Dilemma die Ignoranz – das Ausblenden von dem, was nicht in mein Schema passt. Gott hält die Realitäten aus – in seiner Kraft können wir als Christen das auch, auch wenn wir nicht alles als unveränderbar hinnehmen.

 Kritisches Fragen zulassen

In der Verkündigungsgeschichte fragt Maria nach. Nicht einfach nicken und fertig die perfekte Magd, nein, sie hat ihre Anfragen. Fragen, suchen, was richtig zu tun ist – das ist Merkmal einer starken Persönlichkeit in der Freiheit der Kinder Gottes. Der heilige Ignatius von Loyola empfiehlt auch in Entscheidungsprozessen ein Überprüfen und Nachfragen. 

Auch in der Kirche soll nachgefragt werden – wohlwollend, offen für Gottes Überraschungen, im echten Dialog. Wer Angst hat, wagt nicht zu fragen. Wer vertraut, traut sich was.

 Warten und Aushalten können

In Krisen gibt es meistens keine Hauruck-Lösungen nach dem Motto: „Es reicht, wenn nicht auf der Stelle dies und das passiert, gehen wir.“ Oder: „Wenn meine Gemeinschaftsleitung nicht endlich dies und das umsetzt, schmeiß ich den Bettel hin.“ 

Mir fällt auf, wie eindrücklich die Aussage in Verbindung mit Maria steht: Und sie bewahrte alles in ihrem Herzen.“ Ich wünsche mir dieses Vertrauen auf Gottes guten Plan, den er auch dann langfristig umsetzt, wenn äußerlich betrachtet Dinge richtig schief laufen. 

 Mutig sein

Mut hat Maria wirklich gebraucht: zu dieser Schwangerschaft und zum Weg mit Jesus. Mut angesichts der Prophezeihung des Simeon vom Schwert, das Marias Herz durchdringen wird. Mut bis unters Kreuz und inmitten der verängstigten Jünger im Pfingstsaal. 

Mut brauchen auch wir: Dinge zu entscheiden, frühere Vorstellungen dabei loszulassen. Offene Türen tatkräftig zu nutzen und auch momentan verschlossene mit mehr Gelassenheit auszuhalten – das gilt auch bei der Umgestaltung so mancher Gegebenheiten in Kirche und in der Bewegung.

Mitten im Schmerz Offenheit für die Begegnung

Krisenbewältigung und Zukunft sind nicht in Schockstarre möglich. Natürlich können Schmerz und Ratlosigkeit zunächst Gefühle total blockieren. Mir fällt Maria beim Kreuzweg immer als diejenige auf, die Jesus begegnet. Sie schaut ihn an. Das ist so von ihr überliefert. Kein Hysterieausbruch, sondern mitten im Schmerz ist für sie Blickkontakt möglich. So etwas geht für uns nur, wenn wir im Normalfall unser Befinden nicht ausschließlich von äußeren Begebenheiten und Reaktionen abhängig machen. Begegnung im Schmerz geht dann, wenn ich von mir absehen und mich in einem gewissen Grad der Freiheit dem anderen zuzuwenden gelernt habe.

 Mit anderen

Maria steht mitten im Leben. Besonders deutlich wird das im Pfingstsaal und in der jungen Kirche. Sicher ging es da auch unsicher und unruhig her. Sie entzieht sich dem nicht. Konflikte führen nicht selten zu Abspaltung und Flucht. Sie hält mitten drin aus. Zu wissen, dass wir zum lebendigen Leib Christi gehören, kann auch uns tragen.

 Mutter sein (Vater sein) 

Einen besonderen Stellenwert hat Marias Muttersein für Jesus und für die Menschen bis in unsere Tage hinein. Sie scheint eine Art Manifestation der sorgenden Liebe Gottes zu sein, die uns anrührt. Mutter bzw. Vater sein als Ort der Liebe Gottes – mitten in Umbruch und Nebel. Immer wieder erzählen uns alte Leute von ihrer Fluchterfahrung zum Ende des Krieges und wie Eltern ihnen als Kindern die nötige Sicherheit gegeben haben. Mütterliche und väterliche Liebe kann in Umbruchszeiten ein Klima des Vertrauens, des emotionalen Felsens in der Brandung geben. Eine Botschaft für alle Seelsorger und Seelsorgerinnen, alle Eltern und diejenigen, die für andere da sind. Zukunftswege brauchen das Fundament der Geborgenheit. 

In marianischer Mentalität zu leben heißt wie Maria zu wissen: Gott ist immer größer als alle Verwirrungen und Dunkelheiten zusammen.

 

Maria Wolff

Institut der Schönstattfamilien,
Mitglied der basis-Redaktion.

Download basis → Shop


Foto: © Adam Ján Figeľ · stock.adobe.com