Leben aus der Bibel
von Jakob Busch
„Du öffnest die Bücher und sie öffnen dich.“ Dieses Zitat des kirgisischen Schriftstellers Tschingis Aitmatow steht auf einem Lesezeichen, das ich einmal vor ein paar Jahren geschenkt bekommen habe. Jedes Mal, wenn ich das Buch öffne, in dem das Lesezeichen die letzte Stelle markiert, leuchtet mir dieser Satz entgegen. Die tiefe Wahrheit, die in diesem Wort steckt, liegt auf der Hand: Bücher – besonders diejenigen, die uns ansprechen – können den Effekt haben, dass in uns Quellen freigelegt werden, die vorher nicht zu existieren schienen. Oder beim Lesen eines guten Romans kommt es immer wieder vor, dass unsere Fantasie eine Welt malt, die so unglaublich echt wirkt. Unser eigenes Ich wird dabei geweckt.
Auch bei der Bibel gibt es den Vorgang, den Aitmatow mit seinem Wort beschreibt, obwohl (oder gerade weil) die Bibel kein Buch wie jedes andere ist. Allein die große Verschiedenheit der Textgattungen ist enorm! Der Entstehungszeitraum von mehreren Jahrhunderten deutet zudem auf eine übergroße Vielfalt hin. Und auch hier gilt: Du öffnest die Bibel und sie öffnet dich.
Als Theologiestudent komme ich zweifellos viel in Kontakt mit der Heiligen Schrift. Besonders in den ersten Semestern des Studiums erhält man einen umfassenden Einblick in die 73 Bücher des Alten und Neuen Testaments. Aus geschichtlicher, literarischer und sprachlicher Perspektive werden viele Anknüpfungspunkte erarbeitet. Bei einer solchen Fülle braucht es einen Schlüssel, um sozusagen vor lauter Buchstaben noch das Wort sehen zu können. Das Wort, das mir zugeschrieben ist. Das gilt in gewisser Weise für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Texten, aber vor allem für den persönlichen Zugang. …
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