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Leben in Fülle – von Anfang an?

Leben in Fülle – von Anfang an?

von Agathe Hug

Im August dieses Jahres hat die Bundesrepublik Deutschland „75 Jahre Verfassungskonvent Herrenchiemsee“ begangen. Nach den Erfahrungen von Weimarer Republik und Nationalsozialismus trafen sich ungefähr 30 Personen im Alten Schloss von Herrenchiemsee und berieten über 13 Tage die Grundlagen der neuen BRD. Ihre Vorlage bildet heute ziemlich komplett das Grundgesetz unseres Landes. Würde des Menschen, Menschenrechte, Lebensrecht und Schutz des Individuums bilden die Basis für das Gesetz, das das Zusammenleben in unserer Gesellschaft fürderhin regeln sollte und bis heute auch regelt – und zwar vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende. 

Festgelegt ist auch, was die Aufgabe des Staates ist und an welchen Stellen sich der Staat herauszuhalten hat. In jedem Fall ist es Aufgabe des Staates, schwächeres Leben zu schützen und schwächerem Leben zum Überleben zu verhelfen. 

Dem stehen der Schutz der Individualität und das Recht des Individuums auf Selbstverwirklichung und Freiheit der Entscheidung entgegen. Die Freiheit des Glaubens und die Freiheit des Lebensstils, die Freiheit der Meinung und die Freiheit des Gewissens sind ein hohes Gut, das nicht so ganz leicht angetastet werden darf. 

Ungleicher Schutz 

„Mein Bauch gehört mir“ – war der Slogan der Frauenbewegung der 1970er Jahre, die ihren Ausgang nahm in der Diskussion um das neu zu regelnde Abtreibungsrecht. Ja, das ist schon so – nur: gehört der Inhalt des Bauches, also das Kind, der schwangeren Frau und kann diese deswegen darüber verfügen? Oder ist es eben ein eigenständiges Leben – und wenn ja, wem gehört es? Sobald sich das Kind – in diesem Fall dann Embryo genannt – außerhalb des mütterlichen Körpers befindet, ist es durch das Embryonenschutzgesetz vom 1. Januar 1991 von Staats wegen sehr streng geschützt. Aber das gleiche Kind zum gleichen Zeitpunkt im mütterlichen Körper ist ohne jeglichen Schutz. Die Rechte, die das Grundgesetz der BRD ihm zugestehen, gelten erst ab dem Zeitpunkt, an dem dieses Kind den ersten Atemzug macht. 

Ungeborenes Leben ist also von der Einstellung der Mutter und evtl. auch des Vaters bzw. der ganzen Familie abhängig. Und diese wiederum werden in ihrer Einstellung von vielen Faktoren beeinflusst. Für gläubige muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger beginnt das menschliche Leben dann, wenn ein Herzschlag zu sehen ist. Danach ist die Beendigung dieser Schwangerschaft nicht mehr möglich – jedenfalls wenn sie ihren Glauben ernst nehmen. Für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger beginnt das Leben aber erst mit Vollendung der 12. Schwangerschaftswoche, wenn nach jüdischer Überzeugung die „Eingießung des Ruach“, in etwa zu übersetzen mit „Geist“, geschieht. Im Tanach wird das weibliche „Rûaḥ“ mit dem Handeln Gottes in Verbindung gebracht. Für uns als Christen beginnt menschliches Leben aber im Moment der Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle und dieses Leben ist auf keinen Fall für den Menschen verfügbar. 

90 Jahre alte aktuelle Worte

Vor genau 90 Jahren – im Jahr 1933 – widmete Pater Josef Kentenich im Angesicht des aufsteigenden Nationalsozialismus einen ganzen Exerzitienkurs für Priester dem Thema Leben. Er ist überschrieben mit „Marianisch-priesterliche Lebensweisheit“. Wenn man ihn liest, dann könnten die Worte genauso heute, 2023, gesprochen sein. Im ersten Vortrag spricht er über das Wesen des Lebens. Und er führt aus, dass das Leben „ein großes Gottesgeheimnis und ein reines Gottesgeschenk“ ist. Und er führt weiter aus, dass Naturforscher uns sagen werden: „Wir haben es fertig gebracht, der Natur ihre geheimsten Kräfte abzulauschen, wir können damit spielen, wie wir wollen, können es mischen, aber weiterhin haben wir es noch nicht fertiggebracht und werden es auch nicht fertigbringen, wirkliches Leben zu erzeugen. Genauer: Wir bringen es fertig, dem Leben zu dienen im Anschluss an die Lebensgesetze, und wir bringen es fertig, – und das ist das Traurigste, was wir können –, Leben zu morden. Wir denken an den Weltkrieg, an die Kinder, die nicht geboren werden, die Selbstmorde. All das bringen wir fertig. Aber Leben zu erzeugen bringen wir nicht fertig.“ – Leben ist Gottesgeheimnis und Gottesgeschenk. Und weiter führt Pater Kentenich dann zu den Gesetzen des Lebens aus, dass es für Leben drei Merkmale gibt: dass nämlich Leben aus Leben entsteht, dass Leben Wachstum kennt und dass Leben auf eine Vollendung zugeht. 

Agathe Hug

Dr. med., Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in eigener Praxis.

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Beitragsfoto: © BazziBa · stock.adobe.de

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