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Leben unter der Lupe

Geistliche Begleitung und seelsorgliches Gespräch in Coronazeiten

von Pater Frank Riedel

25 Prozent mehr Anrufe bei der Telefonseelsorge seit Beginn der Coronakrise – so war kürzlich in einem Artikel bei ZEIT Online zu lesen. Irgendwie wenig überraschend, denke ich mir, auch wenn meine eigenen Erfahrungen zunächst einmal in eine andere Richtung deuten. Als Seelsorger, der in der Regel von Gesprächen im Nahkontakt lebt, wurde mir schnell deutlich, dass der harte Lockdown mit Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen auch hier Auswirkungen zeigte.

Auch wenn wir bei allen schriftlichen Veröffentlichungen, etwa der Information, dass die öffentlichen Gottesdienste ausgesetzt wurden, den Hinweis anfügten, wir seien weiterhin ansprechbar, meldete sich auf der angegebenen Telefonnummer nicht eine einzige Person. Kein Bedarf?

Mit der Neuheit der Situation umgehen

Wir merkten in unserer Hausgemeinschaft, dass die Situation eine eigenartige Mischung aus Betroffenheit auf der einen, aber auch einer Art „Abenteuerlust“ auf der anderen Seite mit sich brachte. Wir konnten den Umständen, auch wenn wir uns der Ernsthaftigkeit sehr bewusst waren, durchaus etwas abgewinnen. Das abrupte Stoppen aller öffentlichen Aktivitäten brachte für uns auch ein Innehalten und Nachdenken über unser sonst so selbstverständliches Tun mit sich.

Wir waren und sind, so will diese kurze Schilderung unseres Zusammenlebens verdeutlichen, selbst auch Betroffene der Coronakrise. Wir waren genauso wie alle anderen erst einmal herausgefordert, mit der neuen Situation umzugehen und unsere Gedanken wie auch unsere Prioritätensetzungen neu zu sortieren. Aus dieser Wahrnehmung heraus scheint mir verständlich, dass in einer ersten Phase des Lockdowns der Bedarf nach Gesprächen und geistlicher Begleitung zunächst einmal in den Hintergrund trat.

Nach den ersten Tagen der Auseinandersetzung mit der „neuen Normalität“ rückten die Außenkontakte aber wieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Vieles lief nun über Telefonate und Videokonferenzen. Dabei kam das, was die Menschen bewegt und wie sie mit der neuen Situation zurechtkamen, oft beiläufig zur Sprache. Nach und nach traten nun auch wieder Leute persönlich mit uns in Kontakt. Auch vor Ort, wo unsere Kapelle sehr rege besucht wurde, ergaben sich immer wieder spontane Gesprächssituationen.

Pater Frank Riedel

Schönstatt-Pater. Jugendseelsorger und Leiter des Schönstattzentrums in München.

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