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Management statt Vorsehungsglaube?

Management statt Vorsehungsglaube?

Daniel Keller

Ein emotionales Unbehagen mag christliche Menschen beschleichen angesichts zahlreicher mehr oder minder sachlich wertvoller Analysen zum Zustand der katholischen Kirche und des christlichen Glaubens in Europa: Individualismus, Autonomiestreben, sich an den Deutungsrändern ausfransende Elemente der christlichen Postmodernen wabern wie Wackelpudding durch virtuelle wie reale Diskurse. Die mit großen Schlagworten skizzierte Selbstermächtigung der Menschen erweist sich dabei als ganz und gar nicht einleuchtend, zum Beispiel die Rede vom wissenschaftlichen Beweis der Nichtexistenz Gottes. (vgl. Ch. Taylor, Ein säkulares Zeitalter, 2007)

So stehen sich zwei Konzepte des Lebens gegenüber: Ist der Mensch alleine und autonom für sein Leben, für die Welt und den Verlauf der Geschichte verantwortlich – oder gibt es auch die Vorsehung Gottes, die den Menschen heilsam führt und begleitet? Oder: Steht Management gegen Vorsehungsglaube?

Diese erklärungsbedürftige Leitfrage mag verstörend wirken. Während der Manager oder Therapeut scheinbar soziale Beziehungen reguliert, die abhängig von Autonomie gedacht werden (vgl. A. Ehrenberg, Das Unbehagen der Gesellschaft, 2012), scheint der Mensch, der an die Begleitung und Vorsehung Gottes glaubt, eher einer vergangenen Frömmigkeitsform anzugehören.

Zwei Seiten einer Medaille

Hier können wir dem Sowohl-als-auch-Prinzip folgen, das Ignatius von Loyola pointiert:

Orientiert am Vorsehungsglauben: „Handele stets so, als ob du gar nichts vollbringen könntest und alles ausschließlich von der Gnade Gottes abhinge!“

Managementorientiert: „Handele stets so, als ob alles von deinen eigenen Bemühungen abhinge und Gott nichts dazu tut!“

Diese beiden Aussagen, die Joseph Kentenich in dem Grundsatz „Nichts ohne dich (Gott), nichts ohne uns“ zusammenfasst, stehen stellvertretend für die theologisch-philosophische Diskussion der angemessenen Verbindung und Definition von Natur und Gnade. Für mich sind Natur und Gnade zwei sich bedingende Elemente einer Wirklichkeitsdeutung: Wenn „Natur“ ein Stockwerk und „Gnade“ das andere Stockwerk ist, dann sind die beiden Stockwerke mit einer durchgängigen Treppe verbunden und nicht hermetisch abgeriegelt. Management und lebendiger Gottesglaube sind zwei Seiten einer Medaille. Das möchte ich an zwei Beispielen erläutern.

Management in der Kirche

Die Literatur- und Ausbildungsangebote im Kontext von Führung und Kirche sind zahlreich. Wenn man jenen Grundsatz von Ignatius ernst nimmt, muss neben dem Vertrauen auf Gottes Begleitung ein echtes Know-how dazu bestehen, wie Führung wirksam gestaltet werden sollte. Das beschreibt pointiert wie normativ das Sankt Galler Managementmodell in der Ausprägung von Malik jenseits sich wechselnder Methoden-Moden (vgl. F. Malik, Führen, Leisten, Leben 2015):

  • Die Aufgaben, die zu erfüllen sind,
  • die Werkzeuge, die dabei eingesetzt werden,
  • die Grundsätze, die Qualität und Wirksamkeit bestimmen,
  • die Verantwortung vor Gott und den Menschen,
  • die Kommunikation ist das Medium, durch welches Führungskräfte ihre Führungsaufgaben erfüllen und ihre Werkzeuge einsetzen.

Hier wird also bereits in der allgemeinen Beschreibung, was Führung bedeutet, die Sicht des glaubenden Menschen integriert. Freilich gilt es, diese Sicht in der Praxis umzusetzen. Hier wiederum gilt z. B. der Grundsatz der Resultatsorientierung bzw. des Früchtetragens. (vgl. D. Keller, Führungs- und Selbstführungsprinzipien wirksam anwenden, 2014). Dieser besagt, dass es auf konkrete Früchte bzw. Ergebnisse der Arbeit ankommt und nicht auf den Input, den ich dafür leiste (z. B. an Zeit, an Geld sowie an emotionaler Energie oder an der Teilnahme an Kongressen). Gemäß diesem Grundsatz ließen sich viele Anfragen an die heutige Führung in der Seelsorge der Gemeinden stellen.

Selbst-Management und Glaube

Weitere Anwendungsgebiete des Miteinanders von Natur und Gnade können das persönliche Leben und Arbeiten sein. Einerseits bin ich eingeladen, mich von Gottes Begleitung führen und leiten zu lassen. Andererseits muss ich aber auch meine Aufgaben im Sinne wirksamen Selbst-Managements erfüllen. Im Sinne von Resultatsorientierung bzw. des Früchtetragens darf ich die Fragen stellen: Was soll bei dieser Sitzung, bei diesem Telefonat, bei dieser E-Mail oder bei diesem Gespräch herauskommen? Was ist das Ergebnis? Wenn ich diese Frage nicht für mich beantworten kann, frage ich weiter: Warum mache ich diese Tätigkeiten überhaupt?

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