Menschen, Kriege, Aggressionen
Zur Psychologie der Gewalt
von Klaus Glas
Drei Tage nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 waren in Berlin mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen. Einer der Teilnehmer, ein junger Mann Mitte 20, sagte einem Fernseh-Reporter: „Es verändert mein Weltbild, weil ich so aufgewachsen bin, dass es immer Frieden geben wird.“ [rbb24 vom 27.02.2022] Das Lebensgefühl vom immerwährenden Frieden scheint in die Hirnwindungen der jungen Generation einprogrammiert zu sein. Wir haben vergessen, dass der „lange Frieden“ seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht einmal 80 Jahre alt ist. Auf die Menschheitsgeschichte bezogen ist das ein klitzekleiner Zeitabschnitt. Man muss dem 1888 verstorbenen britischen Rechtshistoriker Henry Maine recht geben, der einmal sagte: „Krieg scheint so alt zu sein wie die Menschheit. Frieden aber ist eine moderne Erfindung.“
Kriege und Frieden
Die meisten Menschen sind überzeugt, das 20. Jahrhundert sei das blutrünstige in der Menschheitsgeschichte gewesen. Tatsächlich kamen allein im Zweiten Weltkrieg mehr als 55 Millionen Menschen ums Leben. Richtig ist aber auch, dass es in früheren Jahrhunderten weitaus mehr Kriege gab. In dem brillanten Buch „Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit“ von Steven Pinker findet sich eine Tabelle, in der die 20 größten Gräueltaten angeführt sind, die Menschen einander angetan haben. Pinker hat die Opferzahl der früheren Kriege ins Verhältnis gesetzt und berechnet, wie viele Opfer es gewesen wären, wenn die Welt damals schon die gleiche Bevölkerungszahl gehabt hätte wie zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Aus diesem Blickwinkel betrachtet wurde das bis dato größte Blutbad im 8. Jahrhundert angerichtet. In dem acht Jahre dauernden An-Lushan-Aufstand wurde die Bevölkerung des chinesischen Reiches um zwei Drittel dezimiert. Bezogen auf die Bevölkerungszahl um 1950 wären das 429 Millionen Tote.
Auf Platz zwei der schaurigen Liste liegen die Mongolischen Eroberungen von Dschingis Kahn und seinen Erben. Der Begründer des Mongolischen Reichs hatte zu Lebzeiten große Macht und viele Reichtümer angehäuft. Dschingis Khan war Vater zahlreicher Kinder, wobei die allermeisten keine Frucht der Liebe waren, denn der mutwillige Mongole vergewaltigte unzählige Mädchen und Frauen. Nach Berechnungen von Genetikern gelten nachweislich rund 16 Millionen Männer (!) als Nachfahren des Mongolen-Führers. Die Todesursache von Dschingis Khan, den viele nur aus dem gleichnamigen deutschen Schlager kennen, ist nicht geklärt. Einige Historiker nehmen an, er sei an den Folgen eines Reitunfalls verstorben. Einer volkstümlichen Überlieferung zufolge wurde er von einer Prinzessin getötet, die der erwarteten sexuellen Gewalt ein unrühmliches Ende setzte: die Königstochter soll den Frauenschänder kastriert haben.
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