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Menschsein zwischen Gewohnheiten und Infragestellungen

Menschsein zwischen Gewohnheiten und Infragestellungen

Die Bedeutung ungelebten Lebens für geistliches Wachstum

von Andreas Brüstle

Wer nie ein Rebell war, ist langweilig! 

Das ist zunächst einmal eine steile These! Und vielleicht stockt ein wenig der Atem. Oder man muss erst mal schlucken, weil man sich den Schuh nur sehr ungern anzieht, als Rebell bzw. als langweilig bezeichnet zu werden. Hand aufs Herz: Waren Sie mal rebellisch?

Es ist völlig normal: In jedem Lebensalter streckt sich die Seele nach Neuem aus. Die seelische Disposition ändert sich. Die Frage nach der eigenen Identität und dem, was sich bisher im Leben bewährt hat und im Leben weiterverfolgt werden will, ist eine permanente Frage bis zum Tod. 

Vieles, was bisher noch nicht in die eigene Lebenszielperspektive, in den Blick rückte, wird manchmal mehr, mal weniger schnell von Bedeutung. Was bisher noch nicht im eigenen Denken und Fühlen, Planen und Vollbringen auf dem Plan stand, bekommt jetzt Gewicht. Man nennt das auch: das ungelebte Leben.

Zunächst einmal ist dieses Neue eine innere Bewegung der Seele, die unangenehm erscheint. Sich neuen Lebensfeldern und Perspektiven zuzuwenden, raubt in der Regel immer Kraft. Die Lebensvollzüge werden kraftloser, weil die Beschäftigung mit dem, was neu in den Blick des Lebens gerät, anstrengend ist. Gelegentlich verwenden Menschen dann diese oder eine ähnliche Formulierung: „Mein Leben stagniert. Da bahnt sich etwas an, das ich so bisher noch nicht gekannt habe.“

Immer dort, wo sich Leben entfalten möchte, wird das bisher Gelebte in den Hintergrund gedrückt. Was bisher nicht zum Zuge kam, will jetzt durchkommen. …

Andreas Brüstle

Leitender Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde Rheinfelden.

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