Politische Stärke in Krisenzeiten
Wie Entscheidungsträger mutige Schritte wagen und ihre Länder durch Herausforderungen führen
von Markus Hauck
In der Politik hat nur wenig Bestand. Eines aber ist sicher: Nach der Krise ist vor der Krise. Herausforderungen gehören daher zum Alltag der Frauen und Männer, die von uns in den Kommunen, Ländern, im Bund und auf Europaebene auf Zeit in Verantwortung gewählt werden. Hier ein paar Beispiele dafür, wie Politikerinnen und Politiker sich Überraschungen gestellt haben und die daraus resultierenden Probleme mit Erfolg angegangen sind.
Angela Merkel und die Flüchtlingskrise 2015
Ein bemerkenswertes Beispiel für politische Stärke und Weitblick ist Angela Merkel während der Flüchtlingskrise 2015. In einem Moment, als Millionen von Menschen vor Krieg und Verfolgung flohen, beispielsweise aus dem vom Bürgerkrieg geplagten Syrien, sah sich Europa mit einer der größten humanitären Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Merkel entschied sich, ihre Politik der offenen Tür zu verkünden, die es Hunderttausenden von Flüchtlingen ermöglichte, Schutz in Deutschland zu suchen.
Diese Entscheidung war nicht unumstritten. Kritiker warnten vor einer Überlastung der Sozialsysteme und einem Anstieg der Kriminalität. Merkel blieb dennoch standhaft und betonte die humanitäre Verantwortung Deutschlands. Sie erklärte: „Wir schaffen das.“ Ihre Entschlossenheit und ihr klarer Appell an die europäische Solidarität halfen, ein Gefühl der Einheit in der EU zu fördern. Viele Städte und Gemeinden in Deutschland öffneten ihre Türen für Flüchtlinge, was zu einem bemerkenswerten Anstieg des Ehrenamts und des zivilgesellschaftlichen Engagements führte.
Merkels Handeln förderte nicht nur die Integration von Millionen von Menschen, sondern trug auch dazu bei, ein Zeichen der Menschlichkeit in Europa zu setzen. Trotz der Herausforderungen, die die Integration mit sich brachte und auch heute noch mit sich bringt, kann man im Rückblick sagen, dass ihre Entscheidung, sich für die Flüchtlinge einzusetzen, ein mutiger und entscheidender Schritt war.
Franklin D. Roosevelt und die Große Depression
Ein weiteres herausragendes Beispiel für erfolgreiches politisches Handeln findet sich in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Franklin D. Roosevelt übernahm 1933 das Präsidentenamt inmitten der Großen Depression. Die amerikanische Wirtschaft war am Boden, Millionen von Menschen waren arbeitslos, und das Vertrauen in die Regierung war erschüttert.
Roosevelt reagierte mit einer Reihe von umfassenden Maßnahmen, die als „New Deal“ bekannt wurden. Dieses Programm zielte darauf ab, die Wirtschaft zu stabilisieren, Arbeitsplätze zu schaffen und das Vertrauen der Bürger in die Regierung zurückzugewinnen. Unter dem New Deal wurden zahlreiche Projekte initiiert, darunter Straßenbau, öffentliche Arbeiten und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft.
Ein berühmtes Projekt war das Civilian Conservation Corps (CCC), das Hunderttausende von jungen Männern beschäftigte, um Parks und Wälder zu pflegen und gleichzeitig wichtige Infrastrukturprojekte zu schaffen. Durch diese Maßnahmen konnte Roosevelt nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch das soziale Gefüge des Landes stärken. Seine Fähigkeit, in einer Zeit großer Unsicherheit schnell zu handeln und kreative Lösungen zu finden, half, die USA aus der Krise zu führen und legte den Grundstein für den wirtschaftlichen Aufschwung.
Jacinda Ardern und die Terroranschläge von Christchurch
Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern wurde 2019 weltweit für ihre schnelle und mitfühlende Reaktion auf die Terroranschläge von Christchurch gelobt. Als ein Attentäter in zwei Moscheen während des Freitagsgebets 51 Menschen tötete, stand Ardern sofort vor der Herausforderung, das Land zu einen und Sicherheit sowie Mitgefühl zu vermitteln.
Sie trat in der ersten Ansprache direkt nach den Anschlägen vor die Medien und erklärte: „Wir sind eine Nation, die die Vielfalt schätzt.“ Mit ihrem Umgang mit den Opfern und den Hinterbliebenen zeigte sie Empathie und Mitgefühl. Sie trug ein Kopftuch, um Respekt gegenüber der muslimischen Gemeinschaft zu zeigen, und betonte die Notwendigkeit, gegen Rassismus und Extremismus vorzugehen.
Darüber hinaus initiierte ihre Regierung schnell strenge Waffengesetze, um zukünftige Gewalttaten zu verhindern. Innerhalb von sechs Tagen nach dem Anschlag wurden Gesetze erlassen, die den Besitz von halbautomatischen Waffen stark einschränkten. Arderns schnelle Reaktion und ihr Fokus auf soziale Einheit und Sicherheit trugen dazu bei, das Vertrauen in die politische Führung Neuseelands zu stärken und den sozialen Frieden im Land zu sichern.
Nelson Mandela und die Versöhnung in Südafrika
Nelson Mandela, der erste schwarze Präsident Südafrikas, steht für ein herausragendes Beispiel politischen Handelns in einer Zeit der tiefen Spaltung und Ungerechtigkeit. Nach 27 Jahren inhaftiertem Zustand übernahm er 1994 das Präsidentenamt und fand sich in einer Nation wieder, die nach Jahrzehnten der Apartheid, der strikten Trennung zwischen Weißen und Menschen anderer Hautfarbe, zerstritten war.
Statt Rache zu üben oder die Macht für sich selbst zu nutzen, setzte Mandela auf Versöhnung. Er gründete die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die darauf abzielte, die Gräueltaten der Apartheid zu dokumentieren und eine Basis für Vergebung zu schaffen. Mandela erkannte, dass eine friedliche Koexistenz nur möglich war, wenn alle Parteien die Möglichkeit hatten, ihre Stimmen zu erheben und gehört zu werden.
Sein Ansatz half, die Spannungen in der Gesellschaft zu mildern und eine neue, inklusive Identität für Südafrika zu schaffen. Durch sein Engagement für Frieden und Gleichheit wurde Mandela weltweit als Symbol für Hoffnung und Versöhnung anerkannt.
Diese Beispiele illustrieren, wie politisch Verantwortliche in Zeiten der Not durch entschlossenes Handeln und klare Kommunikation das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger fördern können. Ob in Krisen wie der Flüchtlingskatastrophe, der Großen Depression oder nach einem Terroranschlag – die Fähigkeit, sich den Herausforderungen zu stellen und proaktive Lösungen zu finden, ist entscheidend für den politischen Erfolg.
Die Geschichte zeigt, dass mutige Entscheidungen oft belohnt werden. Politikerinnen und Politiker, die empathisch und nach Analyse der Lage strategisch handeln, können nicht nur ihre Bevölkerung durch schwierige Zeiten führen, sondern auch deren Vertrauen und die Unterstützung gewinnen. Aus diesen Beispielen zu lernen und einen positiven Weg für die Zukunft zu gestalten, ist unerlässlich. Die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine, aber auch die zunehmenden Wetterkapriolen in Folge des Klimawandels machen das deutlich.
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