Geborgenheit im Kindesalter macht Erwachsene stark
von Markus Hauck
Warum haben allem Anschein nach einige Menschen deutlich weniger Schwierigkeiten, mit Stress und herausfordernden Situationen umzugehen als andere? Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen fördern starke Bindungsmuster die Fähigkeit von Erwachsenen, mit Druck umzugehen. Umgekehrt scheint es so, dass es einige psychische Krankheiten gibt, die ihre Wurzeln in belastenden Erfahrungen in der Kindheit haben. Wer als Kind keine guten Erfahrungen mit Bindungen gemacht hat, trägt demnach ein höheres Risiko, stressbedingt zu erkranken.
Wie Menschen mit Angst umgehen, ist stark von den jeweiligen Bindungsmustern abhängig, die sie beim Aufwachsen erlebt und verinnerlicht haben. Wer sich durch eine Krankheit bedroht sieht, geht je nach seinem Bindungstyp verschieden mit dieser Situation um. „Vereinfacht lässt sich sagen: Sichere Bindung ist ein Resilienzfaktor“, erklärt die Privatdozentin und Psychoanalytikerin Dr. Claudia Subic-Wrana in einem Artikel in der Fachzeitschrift „PiD Psychotherapie im Dialog“. Anders ausgedrückt: Wer in stabiler Bindung aufwächst, den wirft so schnell nichts aus der Bahn.
Die Prägung der frühen Jahre
Wie Subic-Wrana ausführt, sind diejenigen Menschen, die in der Kindheit zuverlässige Bindungen erfahren haben, gegenüber stressbedingten Erkrankungen deutlich weniger anfällig als solche, die in jungen Jahren nur unsichere Bindungen erfahren oder auch Verluste nicht verarbeitet haben. Die Erstgenannten suchen bei Schwierigkeiten gezielt die Unterstützung von Bezugspersonen und profitieren davon, sie in ihrer Nähe zu wissen. Wie psychophysiologische Experimente beweisen, helfen vertraute Menschen ihnen dabei, mit stressigen Momenten besser klarzukommen. So war zum Beispiel die gemessene Ausschüttung des Stresshormons Cortisol im Blut niedriger, wenn eine Bezugsperson anwesend war. Dadurch stieg auch der Blutdruck weniger an. „Soziale Unterstützung hat eine wichtige regulierende Funktion und erleichtert die Stressbewältigung“, erklärt Subic-Wrana.
Personen, deren Bindungsverhalten aus Kindheitstagen so geprägt ist, dass sie unsicher oder vermeidend gebunden sind, tun sich deutlich schwerer, Angst und Ärger zu verarbeiten als sicher gebundene Menschen. Auffallend ist nach den Angaben der Psychoanalytikerin außerdem, dass diese Gruppe weniger die Unterstützung durch ihre Bindungspartner sucht und diese auch weniger hilfreich empfinden. Diese Beobachtung korreliert mit physiologisch messbaren Befunden aus anderen Studien.
Subic-Wrana verweist unter anderem auf ein Experiment mit Kleinkindern, die in einer unbekannten Umgebung kurz von ihrer Mutter getrennt wurden. Wenig überraschend: Alle Kinder reagierten darauf mit einem deutlich schnelleren Herzschlag. Der Puls normalisierte sich bei sicher gebundenen Kindern rasch wieder, sobald die Mutter zurückkam. Bei unsicher gebundenen Kindern hingegen dauerte es deutlich länger, bis wieder der Ausgangspuls erreicht wurde.
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