Sie haben in Ihrem Leben viel gewagt!
von Doria Schlickmann
Diese Aussage Kardinal Clemens August von Galen, des Münsteraner Bischofs, konnte Josef Kentenich rückschauend auf sein Leben nur bestätigen. Zu Recht stellte der Maler Walter Habdank Pater Kentenich als Hochseilkünstler dar, was Wilfried Röhrig zu seinem Musical-Titel „Auf dem Hochseil“ inspirierte.
Die Freiheit wagen
Schon der Gründungsakt der Schönstatt-Bewegung war ein riesiges Wagnis. Die neue Pädagogik, die er praktizierte, die Freiheit, die er seinen Schülern im Internat Vallendar einräumte, ihre Eigenständigkeit, die er förderte, all das war mehr als risikoreich. Die Freiheit konnte missbraucht werden. Mehrmals drohte er vom Amt des Spirituals zurückgezogen zu werden, was die Schüler wohlmöglich unglücklicher gemacht hätte, als sie zuvor schon waren.
Pater Kentenich wagte das Experiment der Freiheit und ließ die Jungen machen: eigenständig Vorträge halten, Debatten führen, ihre Leiter selbst wählen, Ideen des Apostolates entfalten und nach jeder Richtung missionarisch Kontakte knüpfen. Allerdings nicht ins Blaue hinein, nach dem, was ihm gerade so kam oder einfach nur Spaß machte, sondern einer inneren Einsicht folgend: Der Freiheitsdrang der Jugendlichen, die Strömungen der Zeit, die gesellschaftliche Entwicklung hin zum Massenmenschentum führten ihn zur Erkenntnis, dass der moderne Mensch anders erzogen und anders für Gott gewonnen werden will als nur durch das Erlernen von Katechismuswahrheiten. Dass in einer wachsenden Massengesellschaft die Förderung der Persönlichkeit und echter Gemeinschaft von tragender Bedeutung ist, wurde später besonders im Nationalsozialismus dramatisch bestätigt. Einsichten, für die Pater Kentenich sich Zeit ließ, gingen großen, auch pädagogischen Wagnissen voraus. …
Foto: © Quelle: Schönstatt