Räume der Begegnung in einer individualisierten Gesellschaft
von Kathrin Bieler
Der Prozess der gesellschaftlichen Fragmentierung beschreibt die zunehmende Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile, Lebensformen, Werte und vielem anderen auch. Die konstruktiv-positive Auseinandersetzung lädt zu einer kreativen Gestaltung von Vielfalt in der Gesellschaft ein und stellt damit auch die Frage in den Raum: Wo kommen Menschen heute zusammen, wo entstehen Orte der Begegnung und wie bedeutsam ist die Akzeptanz von Vielfalt?
Hat es jemals EINE Gesellschaft gegeben?
Gerade um die Jahrhundertwende steht die Frage nach Formen der Vergesellschaftung im Zentrum der soziologischen Betrachtung. Vergesellschaftung meint den Prozess, wie aus Individuen Gesellschaftsmitglieder werden, und zwar durch die Integration in unterschiedliche soziale Zusammenhänge (vgl. Weber, Max, 1922). In der heutigen Gesellschaft erscheinen diese sozialen Zusammenhänge nicht mehr eindeutig und klar, weil tradierte Zugehörigkeiten und Rollenbilder sich mehr und mehr auflösen. Orientierungen an sozialen und hierarchischen Strukturen innerhalb einer Gesellschaft verschwimmen zusehends. Alles kann, nichts muss!
Der Soziologe Armin Nassehi spricht von einer gelingenden Vergesellschaftung heute, wenn wir Identitätsfragen nicht mehr stellen würden. Wenn Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft nicht mehr im Zentrum der Betrachtung stehen, dann entsteht Gleichberechtigung, also Diversität (vgl. Nassehi, Armin,2019, Deutschlandfunk). Nassehi empfiehlt: „Sei du selbst und tue es, und dann suchen wir eine Form, darüber zu reflektieren.“ Pater Josef Kentenich, Gründer der Schönstatt-Bewegung, würde an dieser Stelle raten: „Sei, was du bist, und sei es in bestmöglicher Form.“ Geschieht eine gelingende Vergesellschaftung im Öffnen von Räumen der Reflexion des eigenen Seins? Das bedeutet, die Individualisierung ist das Werden des Ich und die Reflexion ist das gemeinschaftliche Leben in Vielfalt. …
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