Versichert, vernetzt, vorsichtig – und trotzdem unsicher?
Das fragile Netz der Sicherheit und was wirklich trägt
von Markus Hauck
Über die Straße gehen, ohne vorher nach links und nach rechts zu schauen? Auto fahren, ohne vorher den Sicherheitsgurt anzulegen? Einem wildfremden Menschen privateste Details aus unserem Leben erzählen? Kein Mensch käme wohl auf solche Gedanken. Klar: Sicherheit ist eines der tiefsten menschlichen Bedürfnisse. Es begleitet uns oft unsichtbar im Hintergrund – wie ein stiller Begleiter, der uns erst auffällt, wenn er fehlt. Wenn unser Einkommen unsicher wird, wenn eine Beziehung bröckelt, wenn eine Krankheit unseren Alltag auf den Kopf stellt oder wenn wir plötzlich das Gefühl haben, dass die Welt um uns herum aus den Fugen gerät. Dabei geht es nicht nur um äußere Absicherung, sondern auch um ein inneres Grundgefühl: die Überzeugung, dass wir nicht schutzlos ausgeliefert sind. Doch worauf verlassen wir uns wirklich? Woher kommt dieses für jeden Menschen so wichtige Gefühl von Sicherheit – und warum wird es manchmal so brüchig?
Wer zahlt morgen die Miete?
Geld allein macht nicht glücklich, sagt man. Aber Geld macht sicher. Wer sich keine Sorgen um das tägliche Überleben machen muss, lebt entspannter. Ein regelmäßiges Einkommen, finanzielle Rücklagen und eine Absicherung für Notfälle geben das Gefühl, auf festem Boden zu stehen. Dabei ist diese Sicherheit oft trügerisch. Inflation, Wirtschaftskrisen oder Jobverlust können ein stabiles finanzielles Fundament ins Wanken bringen. Viele Menschen erleben, dass plötzlich nichts mehr selbstverständlich ist – weder die eigene Rente noch die Preisstabilität oder der Arbeitsplatz. Gleichzeitig wird die Frage nach materieller Sicherheit auch zu einer Frage des Vertrauens: Wer oder was trägt mich, wenn mein eigenes Polster nicht ausreicht?
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen ein Netz aus Beziehungen, das uns auffängt. Familie, Freundschaften, Partnerschaft – sie alle geben uns ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit. Aber auch hier lauert Unsicherheit: Beziehungen können zerbrechen, Freundschaften können erkalten, Familienbande können reißen. Viele Menschen erleben, dass gerade in schweren Zeiten die vermeintlich sicheren Stützen brüchig werden. Umso wichtiger ist es, in Beziehungen zu investieren. Viele wissen aus eigener Erfahrung: Wahre Sicherheit liegt nicht nur darin, jemanden zu haben – sondern auch darin, selbst für andere eine Stütze zu sein.
Wir verlassen uns darauf, dass die Gesellschaft funktioniert: dass Gesetze gelten, dass der Staat uns schützt, dass die Demokratie stabil bleibt. Was aber, wenn diese Sicherheit ins Wanken gerät? Politische Unruhen, Korruption, soziale Spaltungen oder vielfältige Kriege – auch in Europa – zeigen, dass auch Staaten und Systeme keine absolute Verlässlichkeit bieten. Sicherheit ist daher nicht nur eine Frage individueller Absicherung, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Ein stabiles Gemeinwesen erfordert Vertrauen, Zusammenhalt und Engagement.
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