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Vom Geschenk des Kleinseins

Vom Geschenk des Kleinseins

von Harald M. Knes

Als ich beim Schönstatt-Institut Marienbrüder eintrat, da konnte die Kluft zwischen „vorgesehenem Ideal“ und „realem Leben“ der Gemeinschaft nicht viel größer sein. Gegründet, um einmal ein mächtiges Werkzeug zur christlichen Mitgestaltung der Gesellschaft zu sein, garniert mit der Gründer-Verheißung, einmal so zahlreich wie die Sandkörner am Meeresstrand, so zahlreich wie die Sterne am Himmel zu sein. 

Und die Realität? 23 Jahre mühte sich Josef Kentenich vergeblich, überhaupt nur einen zu finden, mit dem er die Gründung beginnen konnte. 1942 gelang es im KZ Dachau doch, aber es blieb schwierig. Die 40er-Marke erreichten wir bisher nie. Aktuell sind wir knapp unter 30 Mitgliedern. An der Kluft von Ideal und Realität hat sich also nichts geändert. Die ersten zehn bis 15  Jahre machte mir das ausbleibende Wachstum schwer zu schaffen. Was läuft hier schief? Was machen wir falsch? Warum hinken wir in der Entwicklung den anderen Schönstatt-Gemeinschaften hinterher? Hat uns Gott verstoßen?

Viele Gnadengeschenke

Das Studium unserer Marienbrüder-Geschichte gibt da eine klare Antwort: Sie ist bis zum Rand gefüllt mit Gnadengeschenken von oben. Wenn man in die mehr als 200 Schönstatt-Heiligtümer in der Welt schaut, sieht man zum Großteil von uns gemachte Altäre, Kreuze, Tabernakel, Lichtampeln, Kronen etc. Mit Mario Hiriart haben wir als Gemeinschaft einen Schönstätter, der im Seligsprechungsverfahren der Kirche bestätigt bekam, dass er ein „verehrungswürdiges Leben“ geführt hat. Zur Seligsprechung fehlt noch das von Rom anerkannte Wunder. Ohne die geistliche Unterstützung seitens Hermann Arendes für Joao Luiz Pozzobon wäre es nie zur Bewegung der Pilgernden Gottesmutter gekommen. Ohne Paul Hannappel hätte es in Europa die Josef-Engling-Strömung nie in dieser Breite und Tiefe gegeben. Ohne die Marienbrüder würde es das Jugendzentrum Marienberg in Schönstatt oder die Josef-Kentenich-Schule im Allgäu nicht geben. 

Es ist menschlich betrachtet erstaunlich, welche Überfülle Gott gerade durch uns – der kleinsten Schönstatt-Gemeinschaft – der Schönstatt-Bewegung und der Kirche schenken wollte. Auf der anderen Seite: Aus dem Blickwinkel Gottes ist es gar nicht erstaunlich. Es ist ein uraltes Gesetz: Gottes Liebe für das Schwache, das Kleine, das Hilfsbedürftige bringt Wunderbares und Unglaubliches hervor. Der Grund für die vielen Werke und tollen Dinge, die wir als Gemeinschaft geschafft haben, liegt nicht darin, dass wir die tollsten Mitglieder haben, sondern liegt in erster Linie an einem anderem Punkt: Wir profitieren als Gemeinschaft vom Geschenk des Kleinseins. 

Was arm, klein und hilfsbedürftig ist, das aktiviert um so stärker den Vater-Mutter-Instinkt Gottes. Im Magnifikat hat die Gottesmutter ein Loblied darüber gesungen. Mir fallen auch die ersten kleinen Gemeinden des Urchristentums ein, aber auch eine Therese de Lisieux. Je kleiner und hilfsbedürftiger, gepaart mit dem Hoffen und Vertrauen auf Gott, um so mehr sprudelt der Heilige Geist dorthin und lässt Leben wachsen. Ein Wort der Kirche, das Josef Kentenich dem heilgen Ignatius von Loyola zuschreibt und öfters zitiert hat, ist: 

„Kennen wir Ordensgemeinschaften, die zugrunde gegangen sind durch zu große Demut und zu große Armut? Ich (…) glaube (…), dass es solche kaum je gegeben hat. Aber hat es solche gegeben, die (zugrunde gingen, weil sie) zuviel Stolz und Reichtum besessen haben? (…) Ja, (…) viele Beispiele.“ (Josef Kentenich, 1937, Der heroische Mensch – Priesterexerzitien, 17. Vortrag, S. 254) 

Kirchengemeinschaften, die mit viel Stolz und Reichtum daherkommen, sind quasi selbst für Gott auf Dauer „untragbar“.

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Harald M. Knes

Jahrgang 1971, Grundschullehrer, 1995 Eintritt ins Schönstatt-Institut, Marienbrüder; Buchautor; Mitgründer und langjähriger Schulleiter der Josef-Kentenich-Schule (Katholische Privat-Grundschule im Allgäu).

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