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Von innen bewegt

Von innen bewegt

Pädagogische Arbeit mit Strömungen

von Heinrich Walter

Bei jungen Paaren beobachte ich, wie sehr sie sich durch die Ehevorbereitung Schönstatts hier in Österreich motiviert erleben. Sie jammern nicht über die schlechte Welt, die leblose Pfarrei, die Hindernisse, heute als christliche Familie zu leben. Was ist geschehen? Sie haben erfahrene Paare nach 25 Jahren Ehe erlebt, die in einem liebevollen Zueinander und mit Ausstrahlung persönliche Impulse und Zeugnis gegeben haben. Das hat sie überrascht und das war ermutigend. Viele waren über sich selbst erstaunt, dass sie sagen konnten: „So wollen wir auch einmal werden, können wir bei euch weiter mitmachen? Ihr zeigt, dass es möglich ist und wie es geht.“

Mit dieser und ähnlichen Erfahrungen berühren wir ein Kernstück der Pädagogik bei Pater Josef Kentenich. Es geht darum, aus freien Stücken eine innere Wertbewegung in Personen und Gruppen freizusetzen, die dem Leben eine Gestalt und Ausstrahlung gibt. Wir nennen diesen Vorgang „Arbeit mit Strömungen“. Eine Strömung entsteht, wenn in aller Pluralität heutiger Möglichkeiten eine innere Motivation wach wird, den eigenen Weg zu gehen. Pater Kentenich meint, es sei heute „radikal eine Erziehung von unten herauf notwendig“. Wir kennen den Unterschied zwischen einer gelangweilten Schulklasse und einem hoch motivierten Team. Kann man so etwas erlernen?

Wir wollen näher hinschauen, wie Pater Kentenich seine Praxis reflektiert und zu bestimmten Schlüssen kommt. Wir folgen hier seinen Darlegungen  aus dem Jahr 1966 und machen dabei unsere eigenen Beobachtungen.

Aufmerksam beobachten

Alles beginnt damit, dass wir lernen, aufmerksam zu beobachten und in die Tiefe der Seele zu schauen. In jedem Menschen ist eine bestimmte Empfänglichkeit für Werte vorhanden. Diese zeigt sich als Interessenperspektive. „Wenn man jemand nicht aufgreift in seiner Wertempfänglichkeit, Interessenperspektive kann man sich tot reden. Um einen zu verstehen, muss ich den Kern seines Wesens erfassen, den Kern seines Denkens. Natürlich, das kann man nur später erst lernen, dass man nun das ganze Gebäude errichtet auf den Affekten, auf den Wünschen oder auf all den Trieben, die jetzt hier wach sind. Es dreht sich immer hier zutiefst um das Irrationale, zutiefst um das Affektmäßige.

Wenn ich einen objektiven Stoff gut vermitteln will, ist es ratsam, beim Menschen anzusetzen und den Punkt zu finden, wo dieser Stoff auf sein persönliches Interesse stößt. Für Eltern ist es wichtig, dazwischen zu sein, wenn die Kinder heimkommen, herauszuhören, was sie beschäftigt und betroffen gemacht hat bei ihren Beschäftigungen. Der Direktor einer Pädagogischen Hochschule erklärt, dass er die Familien seiner Dozenten besucht, sich um sie kümmert und genau weiß, was zu Hause los ist. Er meinte, wenn sie privat zufrieden sind, dann werden sie ihre Arbeit besser machen und weit mehr erreichen, als wenn er mit ihnen zum Beispiel Rhetorik pauke.

Für Pater Kentenich ist diese Fühlung mit den Personen eine zentrale Bedingung für gute Erziehung: „Was habe ich unsere Priester besucht anfangs! Und bin bei denen gewesen, habe denen mitgeholfen predigen, alles Mögliche getan. Lebendige Fühlung halten! Das heißt also nicht intellektuelle Fühlung halten. Das heißt auch nicht triebmäßige Fühlung halten. Das heißt auch nicht herzmäßige Fühlung halten. Doch das heißt alles, aber alles zusammen. Worauf es aber in besonderer Weise ankommt: auf die lebendige Fühlung. Leben, wirkliches Leben!“

Auf dieser Grundlage kann der Lebensvorgang einer Strömung entstehen. Damit ist gemeint, dass ein zentraler Wert eine Gruppe von innen erfasst und in ihrem Handeln motiviert. Im Folgenden beschreibe ich sechs Schritte der Pädagogik mit Strömungen, die Pater Kentenich aus seiner Beobachtung und seinem Handeln ableitet.

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Heinrich Walter

Schönstattpater, bis 2015 Generaloberer seiner Gemeinschaft, seither Vertreter der Schönstattbewegung in Rom mit internationalen Aufgaben.

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