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Weniger hat Flair

Weniger hat Flair

von Therese Wolff

Ich hatte als Kind und Jugendliche viele Freunde. Ein paar Menschen – und wirklich viele Sachen. Immer wenn ich etwas fröhlich Buntes sah, seien es Bücher, Spiele oder Anderes, zuckte meine Hand zum Geldbeutel. Mein üblicher Kontostand tendierte gegen Null. 

Zum Beispiel entdeckte ich im Katalog eines bekannten Modellbahn-Herstellers ein Angebot für ein Spur-Z-Gleisoval mit daumengroßer Lok und Waggon. Ich bettelte meinen großen Bruder an, mir die 120 DM vorzustrecken. Im Laufe der folgenden Monate zahlte ich ihm diese in Raten zurück. Ich sammelte auch Müll, bevor meine Eltern den wegwarfen, was mir den Spitznamen “Grüne Tonne” einbrachte. Ich habe mich nie als Messie gesehen. Diese sammeln ohne Unterscheidung. Ich jedoch habe mit Leidenschaft gerne gebastelt, die Bücher gelesen, die Spiele gespielt und für die Eisenbahn eine putzige Landschaft gebaut, die ich immer mehr verfeinerte.

Einkäufe als Kompensation

Warum also fühlte ich mich so schuldig dabei? War es, weil meine Brüder besser ihr Geld festhalten konnten? Mangelte es mir an Selbstdisziplin? War ich zu alt für bunte Sachen? Jahrelang schaffte ich es nicht, den Sachverhalt zu ergründen. Mittlerweile ist klar: Es war eine Kombination mehrerer Mechanismen.

Zum einen hatte ich Probleme, Freundschaften mit Gleichaltrigen zu schließen. Es waren also sicher Kompensationskäufe gegen das Gefühl der Einsamkeit dabei.

Zum anderen: Ich mag es eben bunt! Warum soll die Wohnung trist und langweilig sein, wenn es so viel zu gestalten, anzuschauen und zu spielen gibt? Ich brauche es ab und zu, abzutauchen in eine fantastische Gedankenwelt, um mich von den hunderttausend Eindrücken und Zwängen der Alltagswelt zu erholen. Aber wie sollte ich das in geregelte Bahnen lenken?

Ob viel oder wenig – jeder hat ein begrenztes Budget. Meine beste Freundin S. war aus einem ehemaligen Sowjet-Staat nach Deutschland gezogen, um zu studieren. Sie musste parallel zum Vollzeit-Studium mehrere Tage in der Woche arbeiten, um flüssig zu bleiben. S. wusste, wie man mit zehn Euro eine Woche lang essen kann. Das hat mir imponiert. Aber sie hatte eine Motivation: Ihr Studium abzuschließen und auf eigenen Beinen zu stehen. Ich hatte zuvor schon als Angestellte gearbeitet und wusste, wie man eine Bilanz macht. Trotzdem schrumpfte mein Budget schneller als Schnee auf Malle. Es gab keinen Grund, sich einzuschränken, außer dem nagenden Gefühl, auf dem Geldbeutel der Eltern zu liegen. Und schon Michael Ende wusste, dass Furcht kein nachhaltiger Motivator ist.

Als Teenager hatte ich angefangen, in ganzen Wäschekörben überschüssiges Bastelmaterial wegzuwerfen. Ich konnte mich also von Dingen trennen. Es kam nur immer Neues nach: ein Teufelskreis. 

Therese Wolff

Sie ist Silberschmiedin und arbeitet als Bachelor. Sc. Architektur in einem Hochbaubüro.

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