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Wissen weniger elitär und leichter zugänglich

Wissen im 21. Jahrhundert  – weniger elitär und leichter zugänglich

Wissenskultur als Megatrend 

von Markus Hauck

Auf der Erde leben mehr Menschen als je zuvor. Und diese sind im Durchschnitt gebildeter als alle Generationen davor. Auch wenn Ereignisse wie der russische Einmarsch in der Ukraine und die Zerstörung des Regenwalds am Amazonas ein bis dato beispielloses Ausmaß erreicht haben und diese Aussage konterkarieren, bleibt festzuhalten: Die Welt wird schlauer. Einen nicht unbedeutenden Anteil daran haben die Möglichkeiten, die das Internet bietet: Informationen sind heutzutage nahezu aus allen Ecken der Welt rund um die Uhr erreichbar. 

Früher waren teure Lexika die schnellste Möglichkeit, sich über bestimmte Themen schnell einen qualifizierten Überblick zu verschaffen. Heute ist für viele Menschen das kostenlose Online-Nachschlagewerk Wikipedia oft das Mittel der Wahl. Und Wikipedia steht zugleich für die Art und Weise, wie heute mit Informationen umgegangen wird: Wer Fachkenntnisse hat, kann diese bei dem Online-Lexikon einbringen, egal wo auf dem Globus er oder sie wohnt. Zugleich ist die allgemeine Zugänglichkeit dieser Informationen der beste Garant dafür, dass durch das Schwarmwissen der Nutzer Fehler und Unzulänglichkeiten schneller auffallen und korrigiert werden, als das früher bei redaktionell betreuten und gedruckten Nachschlagewerken möglich war. Kurz gesagt: Auch unser Wissen über das Wissen sowie seine Entstehung und Verbreitung nimmt zu.

Informationen – digital und dezentral

Wer heute vertiefte Informationen und den Austausch zu einem Fachgebiet sucht, sei es beruflich oder für ein Hobby, findet dafür in der digitalen Welt leicht eine Vielzahl an dezentralen Strukturen. Für praktisch alles gibt es virtuelle Stammtische, „Wer weiß Rat?“-Foren oder Datenbanken, in denen sich Material zum Nachschlagen und Herunterladen findet. Vorbei die Zeiten, in denen es eine Frage des Geldes oder der persönlichen Kontakte war, um die entsprechenden Einblicke zu bekommen. Das Elitäre verschwindet, Bildung im 21. Jahrhundert ist ein Stück Allgemeingut. 

Was zunächst positiv ist, hat, wie so vieles im Leben, aber auch seine Schattenseiten. Nicht erst seit Donald Trump oder der Coronapandemie wissen wir: Nicht jeder, der für sich Fakten und Wahrheit beansprucht, ist auch wirklich qualifiziert und glaubwürdig. Um in einer Welt von alternativen Fakten und Verschwörungstheorien bestehen zu können, ist es wichtiger denn je, kritisch mit Informationen und den Medien umzugehen, in denen sie verbreitet werden. Pointiert hat es der Kabarettist Erwin Pelzig so formuliert: „Noch nie haben so viele Idioten so viel Müll so schnell verbreiten können.“ 

Das stellt den Bereich der Bildung vor ganz neue Herausforderungen. Einerseits müssen Schüler heute auf die von der digitalen Konnektivität geprägte neue Arbeitswelt vorbereitet werden. Zugleich gilt es, die jungen Menschen mit einem gesunden Maß an anwendbarem Wissen auszustatten, damit diese auch dann Probleme zu lösen in der Lage sind, wenn gerade kein Smartphone und kein Internetanschluss zum Googeln zur Hand sind.

Die sich ständig verändernde Welt als Herausforderung

Zumal in einer sich ständig verändernden Welt auch virtuell keine vorgefertigten Antworten auf neue Herausforderungen aufgetan werden können. Der Krieg in der Ukraine ist dafür ein gutes Beispiel. Viele Dinge hängen miteinander zusammen. Wer jetzt, wo die Energiekosten massiv steigen, nur auf einfache und billige Antworten setzt, schafft womöglich zusätzliche Probleme. Wie früher auf Putins Gas zu setzen, würde das Land weiter erpressbar machen und zugleich der russischen Autokratie in die Hände spielen. Auf Kohle und Atomstrom zu setzen, um die Wirtschaft nicht zu gefährden und finanzschwache Haushalte nicht weiter in Bedrängnis zu bringen, verschärft die Klimakrise und schafft noch mehr Atommüll, für dessen sichere Endlagerung (für mindestens 10.000 Jahre) heute noch kein Staat der Welt eine belastbare Lösung hat. Ein Preisdeckel, um finanzschwache Haushalte nicht zu überfordern, muss finanziert werden, entweder durch neue Schulden oder höhere Steuern für Reiche und große Unternehmen. Die eine Maßnahme belastet kommende Generationen, bei der anderen droht das Abwandern des Kapitals in vermeintlich bessere Länder. Einfache Lösungen und dabei wirkungsvolle Lösungen für komplexe Herausforderungen bietet auch das Internet nicht.

Das Zukunftsinstitut hat zum Thema Wissenskultur vier Thesen aufgestellt, die ich hier kurz vorstellen möchte.

1 Lebenslanges Lernen wird zur neuen Norm

Gelernt, geprüft und dann reicht es mit der Bildung bis zur Rente? Das mag vielleicht vor vielen Jahrzehnten gegolten haben. Heute ist es unabdingbar, sich ein Leben lang weiterzubilden und an geänderte Rahmenbedingen anzupassen. Das gilt für den Bereich Handwerk genauso wie für den Handel oder Wissenschaft und Technik. Auf dem Bau beispielsweise kommen heute Laser zum Einsatz, um komplexe Vermessung zu präzisieren und zu vereinfachen. Und mit Holz, Beton und Ziegelsteinen sind die Möglichkeiten der Baustoffe bei weitem nicht mehr beschrieben. Ohne die Hilfe von Computertechnik läuft heute bei der Bestellung der Felder in der Landwirtschaft wenig. Und mit dem Rechenschieber arbeitet heute kein Ingenieur mehr. 3-D-Visualisierung und gemeinsames Arbeiten über Kontinente hinweg sind heute nicht nur im Maschinenbau Standard. Weil die technischen Möglichkeiten ständig steigen und sich die von außen herangetragenen Anforderungen dauernd verändern, ist es wichtig, sich im Beruf  immer wieder an neue Situationen und Kompetenzfelder anzupassen. Wer bestehen möchte, muss mit Krisen, Unsicherheit und Komplexität umgehen können.

2 Mit Spaß und kostenlos verfügbarem Wissen zu besseren Ergebnissen

Damit die Menschen kreativ werden können, brauchen sie ein gesundes Maß an Freiraum. Das gilt für Unternehmen in gleichem Maß wie für die Schule. „Ein neues Verständnis von Kreativität, Playfulness und Open Knowledge führt zu anderen, besseren Ergebnissen und Innovationen – und macht mehr Spaß“, schreibt das Zukunftsinstitut auf seiner Homepage. Mit Open Knowledge ist gemeint, dass eine Gesellschaft die Prozesse des Wissenstransfers konsequent öffnet und  möglichst viele Menschen daran teilhaben lässt. Ein auf diese Art freies Wissen trägt dazu bei, den Zugang zu Wissen zu verbessern, indem dieser nicht mehr auf bestimmte, oftmals privilegierte Bevölkerungsgruppen beschränkt ist. Insbesondere kann Wissen im Internet orts- und zeitungebunden zur Verfügung gestellt werden. Das weltweit bekannteste und erfolgreichste Projekt Freien Wissens ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia.  Alle Inhalte stehen unter einer freien Lizenz, und alle Nutzerinnen und Nutzer dürfen die Inhalte weiterverwenden.  Sie müssen dazu niemanden um Erlaubnis bitten und keine Lizenzgebühren zahlen. Playfulness steht für eine Herangehensweise, bei der in erster Linie der Spaß im Vordergrund steht.

3 Durch Bildung muss Digitalisierung allen zugänglich gemacht werden

„Eine zentrale Aufgabe der Bildung ist es, den Digital Divide zu überwinden“, heißt es in schönem Neusprech auf der Homepage des Zukunftsinstuts. Weil Bildung künftig ohne Digitalisierung nicht mehr vorstellbar ist, müssen die kommenden Generationen auch dafür fit gemacht werden. Das heißt, sowohl der Zugang zu digitalen Services und Geräten als auch die Fähigkeit, diese zu nutzen, muss für alle gewährleistet und gelehrt werden.

4 Wissenschaft nimmt einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft ein

Alt-Science, also „Alternative Wissenschaft“ und Fake News sind nur ein kleinerer Gegentrend in der großen Bewegung zu einem ermächtigten, verantwortungsvollen Umgang mit Wissen und Informationen. Kritisches Denken und der richtige Umgang mit Komplexität werden immer wichtiger – „und die Gesellschaft ist auf einem guten Weg“, wie das Zukunftsinstitut betont.

Markus Hauck

Leiter der Pressestelle im Bistum Würzburg, Mitglied der basis-Redaktion.

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Beitragsfoto: © JenkoAtaman · stock.adobe.com

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