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Zölibat

Sinn – Geschichte – Entwicklung 

von Hubertus Brantzen

Wieder einmal saß ich während eines Festes in einer größeren Runde und hörte die Frage: „Du bist doch Theologe. Was soll das eigentlich mit diesem Zölibat? Das hält doch heute kein Mensch mehr für zeitgemäß und sinnvoll!“ Und wieder einmal richteten sich etwa 20 Augenpaare gespannt auf mich, was ich wohl zu dieser Frage antworten würde.  

Bei solchen Gelegenheiten habe ich verschiedene Gedanken zur Begründung des Zölibats geäußert, solche, die in theologischer Literatur ständig wiederholt werden, aber auch solche, die an den Erfahrungen der Fragenden ansetzen. Dieses Mal versuchte ich es auf diese Weise: 

„In jedem zweiten Spielfilm spielt Sex eine wichtige Rolle. Oft gehen Paare, die sich gerade kennenlernten, wie selbstverständlich miteinander ins Bett. Das prägt unsere heutigen Vorstellungen vom Leben entscheidend mit. In einer solchen Situation ist der Zölibat der Priester eine unglaubliche Provokation: Da gibt es doch tatsächlich eine für die Kirche entscheidende Berufsgruppe, die das Gegenteil lebt. Das kann doch nicht normal sein! – So das Lebensgefühl in unserer Gesellschaft und inzwischen auch in weiten Teilen der Kirche.

Ich verstehe den Zölibat so: Die Kirche hat die Aufgabe, die Nähe Gottes in dieser Welt und seine Liebe zu den Menschen zu verkünden. Dazu gibt es zwei Perspektiven: Die Liebe Gottes erfahren wir in besonderer Weise in und durch die Liebe zwischen den Menschen – dann aber auch, indem wir uns direkt an Gott wenden, etwa im Gebet. Für beide Perspektiven gibt es in der Kirche ein Sakrament: Die christliche Ehe lebt vor, dass wir Gottes Liebe in der Liebe zwischen den Menschen finden. Die Priester erinnern mit ihrer Lebensform daran, nicht in den Dingen des Lebens und der Welt steckenzubleiben, sondern Gott als Anker des Lebens zu suchen und zu finden. Beides zusammen ergibt ein Ganzes. Beide Lebensformen sollen beide Perspektiven leben, doch jede hat eine besondere Sendung und Berufung.“

Natürlich ist das nicht die einzige Begründung, warum zölibatäre Lebensform sinnvoll für das Ganze der Kirche ist. Doch immerhin erntete ich mit dieser Argumentation Rückmeldungen wie „Das ist interessant!“ oder: „Warum bekommt man das nicht mal richtig erklärt?“ Doch auch Bedenken kamen: „Ja, können die Priester das auch wirklich leben?“ Meine Antwort: „Wie Ehen manchmal scheitern, so scheitert auch manchmal der Lebensentwurf eines zölibatären Priesters.“ Und das sahen alle ein, manche auch aufgrund eigener Erfahrungen. …

Hubertus Brantzen

Prof. Dr. theol., Mitglied der basis-Redaktion.

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