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Bischof Ipolt an der polnischen Grenzen zum Gedanken an 75 Jahre Ende des Krieges

Wolfgang Ipolt

Ein besonderes Gedenken – 08. Mai 2020

10.06.2020                                    polski – polnische Übersetzung

Dieses Bild wurde Anfang Mai in den Medien Sachsens verbreitet. Eine kleine Gedenkstunde anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsendes sollte auf der Altstadtbrücke in Görlitz, die über die Neiße in den polnischen Stadtteil Zgorzelec führt, stattfinden. Vertreter der sächsischen und polnischen Regierung, die beiden Bürgermeister und Vertreter der Kirchen nahmen daran teil. Aber: Die Gedenkstunde konnte wegen der Corona-Krise nur im kleinen Kreis stattfinden.

Weil die Grenze zu Polen seit vielen Wochen geschlossen ist, versammelten sich die offiziellen Vertreter und einige wenige Zuschauer auf beiden Seiten eines Bauzaunes, der die Grenze markierte. Man hatte diesen Bauzaun aus diesem Anlass mit Rosen geschmückt. Kurz vor der Feier entdeckte ich auf der anderen Seite des Zaunes den Dekan des Nachbardekanates, den Vertreter der Diözese Legnica. Hände reichen, einander den Friedensgruß entbieten, wie sonst zwischen uns immer üblich – war aus hygienischen Gründen verboten. Was tun? Kurzer Hand winkte ich den Mitbruder an den Zaun und wir berührten uns durch den Zaun hindurch gegenseitig mit dem Ellenbogen und schenkten uns ein kurzes Wort der Begrüßung.

Da hat das Wort „Ellenbogenmentalität“, das wir für ein bestimmtes liebloses Verhalten manchmal gebrauchen, plötzlich einen anderen Sinn bekommen. Zwei Ellenbogen als Begegnungsort und Gemeinschaftszeichen. Das muss auch die Pressefotografen fasziniert haben.

An diesem so wichtigen Gedenktag wollte ich nicht nur mit Worten über das Ende des 2. Weltkrieges sprechen, sondern auch ein kleines Zeichen des Friedens und der Freundschaft zwischen unseren Völkern setzen. In unserer Stadt war es an diesem 08. Mai ein zusätzlicher Schmerz, wegen der Virus-Pandemie das Gedenken an das Ende des unseligen Krieges nicht ausgelassen und gemeinsam begehen zu können.

Die „Corona-Zeit“ – wie sie jetzt schon häufiger genannt wird – macht uns eben auch erfinderisch und kreativ. Das ist gut so. Denn bei allen Abstandsregeln und notwendiger sozialer Distanz braucht es dennoch ab und zu auch physische Kommunikation. Diese ist durch die mediale Treffen nie vollständig zu ersetzen. Wir Menschen sind von Gott einfach so konstruiert, dass wir ab und zu auch Nähe brauchen. Das ist wohl auch eine Folge der Inkarnation. Da hat Gott selbst die Nähe zu uns Menschen gesucht – so sehr, dass er selbst Mensch geworden ist. Gott sei Dank!
Es ist zu hoffen, dass es auch an unserer Grenze bald wieder ohne Bauzaun und mit Handschlag möglich sein wird, einander zu begegnen.

Bischof Wolfgang Ipolt, Görlitz


                         Foto:  Raphael Schmidt

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