Ignazio Sanna
Die neue Art, Papst zu sein
17.01.2018
Papst Franziskus hat einen neuen Stil, Papst zu sein, eingeführt. Schon am Tag seiner Wahl zeigte sich dieser Stil in seiner Art, sich zu kleiden, sich den Segen des Volkes zu erbitten, sich bevorzugt Bischof von Rom nennen zu lassen, mit dem einfachen “Guten Abend” zu grüßen.
Dieser neue Stil zeigt sich auch in seiner Art der Kommunikation. Sicher hält er bei verschiedenen offiziellen Angelegenheiten sehr wichtige Reden. Aber neben diesen offiziellen Anlässen spricht er in originellen Gleichnissen, erzählt Beispiele aus dem Leben – so etwa bei den Homilien im Haus Santa Marta, wo er wohnt, in den Katechesen von Generalaudienzen, im Gespräche mit Journalisten oder mit Gruppen von Priester. Solche Gleichnisse und Lebensbeispiele zu verwenden, ist sein beliebter Stil der Kommunikation. Ein katholischer Journalist kennzeichnet diesen Stil als “ein Lehramt der Lebensgeschichte, eine Erzähltheologie, eine Pädagogik des Lebens, eine Pastoral des Dialogs”.
Viele Kritiker haben inzwischen dem Papst ein Manko an theologischem Denken vorgeworfen. Einige von ihnen klagen, er rede nur von Emigranten, Armen und Muslimen. Franziskus lädt ein, Jesus zu treffen außerhalb der Sakristeien und der Kirchen, außerhalb der geschlossenen Räume von Oratorien oder Konferenzsälen. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht theologisch redet!
In einer Homilie in der Sixtinischen Kapelle beschrieb er zum Beispiel eine wunderbare Seite der Menschwerdungstheologie: Er erklärte das Weinen des Kindes im Stall von Betlehem als die erste Predigt Jesu. Er verband die Theologie der Universitäten mit dem Leben der Menschen.
Ich selbst habe als Theologe viele Jahre Vorlesungen an der Lateran-Universität in Rom gehalten, bis Papst Benedikt mich als Bischof nach Oristano auf Sardinien schickte. Dort habe ich begonnen, an einer Theologie des Lebens zu arbeiten. In der Tat, die Gefängnisse, die Krankenhäuser und die Häuser der Armen sind für mich die Schule des Glaubens und der Vorsehung geworden. Ich verstehe den Papst sehr gut, wenn er mit den Theologen ungeduldig wird. Er will nicht dogmatisch an die Wirklichkeit herangehen, er zieht als Methode die schwierige „Unterscheidung der Geister“ (nach Ignatius von Loyola) vor.
Wenn wir eingestehen, ein nur unvollkommenes Denken zur Verfügung zu haben, sollten wir keine vereinfachenden Antworten den Menschen verkaufen und den wahren Inhalt des Glaubens verschweigen. Wir können nicht die Widersprüche des Lebens vermeiden und das berühmte Prinzip der Phänomenologie des Geistes teilen, nach dem in der Nacht alle Kühe schwarz sind. Als Christen sollten wir die Wirklichkeit auslegen mit der Hilfe des christologischen Prinzips des Konzils von Chalcedon (451): verbinden ohne zu vermischen, unterscheiden ohne zu trennen.
Erzbischof Dr. Ignazio Sanna, Oristano /Sardinien
Foto: © aus der Graphik des Institutes für Demographie Allensbach