Michael Gerber
Grundoptionen
24.01.2018
Ein Video, das in diesen Tagen millionenfach angeklickt wird: Papst Franziskus unterwegs im Papamobil auf einer von vielen Menschen gesäumten Straße in Chile. Der Zeitplan ist eng getaktet, minuziös ist alles vorausgeplant. Da passiert es: Unmittelbar neben dem Papamobil scheut das Pferd einer Polizistin und wirft diese ab auf die Straße. Welche Verletzungen die Beamtin sich dabei zugezogen hat, ist im ersten Moment nicht auszumachen. Doch dann: Der Papst stoppt sein Fahrzeug. Er steigt aus, geht einige Meter zurück und legt der Polizistin, die inzwischen von Ersthelfern versorgt wird, die Hand auf die Stirn.
Mich macht diese Geste nachdenklich. Bin ich aufmerksam für das, was neben oder hinter mir geschieht? Und wofür – oder besser für wen – bin ich bereit, meinen eigenen Zeitplan durcheinander bringen zu lassen? Welche Argumente habe ich, um „weiterzufahren“ oder um stehen zu bleiben?
In meinen Augen hat der Heilige Vater hier nicht einfach „spontan“ gehandelt, wie wir es gerne Südamerikanern unterstellen. Sondern ich glaube, dass er längst für solche Momente und Begegnungen eine Grundoption getroffen hat, wem oder was er in so einem Fall welche Priorität gibt. Das Neue Jahr ist noch nicht sehr alt. Mich ermutigt der Papst, dass auch ich die Grundoptionen meines Lebensstils neu bedenke.
Weihbischof Dr. Michael Gerber, Freiburg
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