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Einehilfe einem anderen den Berg hiniaus in der Abendsonne

Ludger Schepers

Viele Fragen – Corona

22.05.2020

Ganz langsam fing es an. Am 9. März 2020 war ich als Mitglied in einer Sitzung des Vermögensrates unseres Bistums. Die folgenden Tage waren voller Termine im Rahmen einer Pfarreivisitation. Erste Einschränkungen fingen an, die Pandemie zu begrenzen. Spürbar am 14. März bei der Beerdigung eines sehr geschätzten Pfarrers und lieben Mitbruders, der im Alter von 61 Jahren an Krebs verstarb.

Sonntag, 15. März. 15:00 Uhr. Anruf des Generalvikars: Ein Mitglied des Vermögensrates sei Corona-infiziert. Empfehlung: freiwillige häusliche Quarantäne. Alle Termine der nächsten Tage wurden sofort von mir abgesagt. Von 100 auf null.

Am Montag meldet sich das zuständige Gesundheitsamt an für den Corona-Test. Acht Tage Ungewissheit ertragen, zwischenzeitlich amtlich verordnete Quarantäne, bis ich endlich am 21. März nach vielen vergeblichen Anrufen erfahre, der Befund sei negativ. Aufatmen und weitermachen ist nicht. Konferenzen, Besuche im Rahmen der Visitation, Firmungen und frohe Feiern von Ordensjubiläen: alles entfällt erst mal. Das auszuhalten, musste ich ertragen lernen. Es beginnt die Zeit der Telefon- und Videokonferenzen. Jede hat ein anderes Format. Lernen, bangen, klappt es, hält die Verbindung. Technik erleichtert und lässt einen manchmal verzweifeln. Sicheres WLAN in Deutschland, da braucht es noch was. Ich sehe nicht alle Teilnehmenden. Mir fehlen die Nähe und die Atmosphäre. Statements statt Diskussion, die Mimik der „Anwesenden“ fehlt mir zum Verstehen. Das Interessante bei Konferenzen sind doch die Gespräche nebenbei. Die Nähe fehlt mir. Es braucht meine ganze Konzentration und ich bin geschafft, erst recht, wenn es mehrere am Tag sind.

Es sind die endlosen Diskussionen über Sinn und Unsinn von Maßnahmen um das beste Konzept zur Vermeidung von Ansteckung in den Medien und überall. Wie Gottesdienst feiern? Was, wer, wie schützt am besten? Wer hat die Deutungshoheit: Wissenschaft oder Politik? Gemeinwohl steht nicht bei allen im Blick. Der bisher erfolgten Eindämmung der Pandemie folgt das Drängen auf die Verantwortlichen, den Lock down zu beenden. Der Ruf nach individueller Freiheit wird laut und äußert sich in Demonstrationen, Provokationen und macht Verschwörungstheorien Platz. Wenn diese zudem noch von einigen „Kirchenvertretern“ geteilt werden, bleibt mir die Luft weg. Ich bin fassungslos und zornig, wie man das weiter zunehmende Leid und die vielen Toten beiseite schiebt. Das Fernsehbild von der Verscharrung hunderter Leichensärge, dreistöckig in Gruben in New York geht mir nicht aus dem Kopf. Ich habe keinen ehemaligen Nuntius oder andere Kirchenvertreter gesehen.

Streaming von Gottesdiensten: ja oder nein. Manche Feiern wirken gespenstisch. Auf der anderen Seite viel Kreativität, Neues auszuprobieren. Tolles Engagement in diakonischen Diensten von jung und alt vor Ort, aber auch das Abtauchen der Kirche vor Ort und ihrer hauptamtlichen Vertreter.

Mich beschäftigen viele Fragen der Pastoral in und nach Corona. Wie reagiert Kirche im diakonischen Bereich, wenn Kirchensteuern ausbleiben. Homeoffice und Familie. Die Frauen müssen wieder mal das Meiste stemmen: Kinderbetreuung angesichts geschlossener Kitas und Schulen, homeschooling ohne notwendige technische Ausrüstung, Haushalt, systemrelevanter Beruf, beengte Wohnverhältnisse, häusliche Gewalt… Zeigt sich die Wertschätzung nur in schönen Worten oder auch auf Dauer im Geldbeutel?

Große Sorge bereiten mir die Informationen aus den Flüchtlingslagern und der Weltkirche, besonders in Afrika und Lateinamerika angesichts örtlicher Gesundheitssysteme und Korruption. Lock down heißt für viele verhungern und sterben, nicht am Virus.

Ganz langsam fing es an. Und dann nahm es Fahrt auf. Die Fahrt ist noch nicht zu Ende. ...aber wir vertrauen auf seinen Beistand, den Hl. Geist.

Weihbischof Ludger Schepers, Essen


Ich versuche mein Möglichstes, um zu helfen, und vertraue mich und alle der wieder entdeckten heiligen Corona an. Im Blick auf Pfingsten ist es Gott und sein verheißener Beistand, den wir nötig brauchen.

Gebet in Corona-Sorge

Gott, du bist Gott des Lebens.
Wir glauben daran.
Gleichzeitig sind wir voll Sorge um das Leben,
um unser eigenes,
um das Leben unserer Familienangehörigen – vor allem der alten Menschen,
um das Leben von Freundinnen und Freunden
und auch um das Leben der Menschen in der Einen Welt,
von denen wir täglich in den Nachrichten hören und sehen.
Mit manchen sind wir über Projekte und Initiativen seit langem verbunden.
Mit unserer Sorge und mit unserer Ratlosigkeit kommen wir zu dir und beten:

Gott, du Weisheit,
sei bei
allen Forscherinnen und Forschern.

Gott, du Stärke,
erfülle alle,
die weltweit in der Pflege tätig sind.

Gott, du Liebe,
sei bei
den gefährdeten Kindern.

Gott, du Weite,
stärke alle,
die unter der Enge ihrer Wohnung leiden.

Gott, du Orientierung,
sei bei
den Journalistinnen und Journalisten.

Gott, du Solidarität,
ermutige alle,
den Weg der Hilfe weiterzugehen.

Gott, du Phantasie,
sei bei
allen kreativen Menschen.

Gott, du Zärtlichkeit,
tröste alle,
die sich nach Berührung sehnen.

Gott, du Nahrung,
sei bei
allen Hungrigen an Leib und Seele.

Gott, du Einsicht,
warne alle,
die in die Normalität drängen.

Gott, du Rettung,
sei bei uns,
die wir auf deine Macht vertrauen.

Lebendiger Gott,
tröste alle, die einsam sind und trauern,
und nimm auf alle Toten.

Verbunden mit allen Menschen, die an Jesus Christus glauben,
beten wir, wie er uns zu beten eingeladen hat: Vater unser…

© Marie-Luise Langwald

 


                                     Foto: pixabay.com

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