Ludger Schepers
Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken
(Isaac Newton)
26.06.2024
Seitdem ich Queer Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz bin und in den verschiedensten Arbeitsgruppen zur Geschlechtervielfalt arbeite, werde ich immer wieder gefragt: Wie stellst du dir eine Queer freundliche Gemeinde vor?
Im Buch Genesis 1,31 heißt es: „Und siehe, es war sehr gut!“ Schwule Männer, lesbische Frauen, Bisexuelle, trans* und inter* Menschen – sie alle waren schon immer Teil der göttlichen Schöpfung. „Und Gott sah: ja, es war gut.“
Ich wünsche mir, dass Gemeinden und Gruppen, auch wir Bischöfe, weiterhin öffentlich klare Position gegen Ausgrenzung von Queer-Menschen beziehen und sie sichtbar willkommen heißen. Dazu gehört für mich, dass alle Menschen im aktiven Gemeindeleben oder in einer Einrichtung, einem Verband, einer Gruppe, respektvoll wahrgenommen und integriert werden. Alle Menschen gleichberechtigt zu sehen und zu hören, führt zu einem neuen Miteinander – so, wie es im Galaterbrief 3,28 heißt: „Es gibt nicht mehr … männlich und weiblich; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus.“
Ich glaube fest daran, dass eine Queer-freundliche Gemeinde spezifische Themen aufgreift z.B. in der Liturgie oder in der Alltagspraxis und die Lebenswirklichkeit von queeren Menschen in die Gottesdienstgestaltung einbindet. In Gebeten, Fürbitten und Predigten werden Queer nicht nur „mitgemeint“, sondern explizit benannt und beteiligt. Auch die persönliche Beratung und Seelsorge wird achtsam für Queer-Menschen gestaltet.
Ich denke, dass eine offene Gemeinde aktiv dabei hilft, Vorurteile abzubauen, Diskriminierung zu verhindern und Akzeptanz für verschiedene Lebensformen zu verankern. Sie stellt sich bewusst der Aufgabe, christliche Gemeinschaft mit all ihrer Vielfalt in Frieden leben zu können. Eine solche Gemeinde bekennt sich klar und deutlich zu einem offenen Willkommen und einem Umgang auf Augenhöhe mit allen Menschen – den queeren, den alten und kranken, denen die demenziell verändert sind, die mit einer besonderen Begabung oder sozial besser abgesichert sind und denen die mehr Unterstützung brauchen, wie z.B. Flüchtlinge. Im gelebten Miteinander festigt eine offene Gemeinde ihren Zusammenhalt, sie wird bunter und vielfältiger. Für mich ist eine queersensible Gemeinde, eine Gemeinde, die im gemeinsamen Dialog Brücken schafft, wo Unterschiede sein dürfen. Das macht das Gemeindeleben reicher, menschlicher und lebensnah. Nicht zuletzt wird sie damit attraktiver für Neue und bislang Fernstehende. Wo Diversität und die Vielfalt von Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anerkannt und als Bereicherung wahrgenommen wird, da baut Kirche an ihrer Zukunft.
Weihbischof Ludger Schepers, Essen
Foto: Filmbetrachter auf pixabay.com
Zu den Aussagen von Weihbischof Schepers ist m. E. eine Ergänzung notwendig:
Schepers: „Im Buch Genesis 1,31 heißt es: ‚Und siehe, es war sehr gut!’ Schwule Männer, lesbische Frauen, Bisexuelle, trans* und inter* Menschen – sie alle waren schon immer Teil der göttlichen Schöpfung. ’Und Gott sah: ja, es war gut.’“
Schon im 3. Genesis-Kapitel wird nachgebessert, vermutlich hat es einen anderen Verfasser, der bemerkt hat, so gut um mich rum ist das alles gar nicht: Er gibt eine zeitgemäße Erklärung, weshalb doch nicht alles gut war.
Schepers: „Alle Menschen gleichberechtigt zu sehen und zu hören, führt zu einem neuen Miteinander – so, wie es im Galaterbrief 3,28 heißt: ‚Es gibt nicht mehr … männlich und weiblich; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus.’
Paulus hat das nicht schöpfungstheologisch, sondern gnadentheologisch gemeint.
Schepers: „Ich denke, dass eine offene Gemeinde aktiv dabei hilft, Vorurteile abzubauen, Diskriminierung zu verhindern und Akzeptanz für verschiedene Lebensformen zu verankern. Sie stellt sich bewusst der Aufgabe, christliche Gemeinschaft mit all ihrer Vielfalt in Frieden leben zu können. Wo Diversität und die Vielfalt von Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anerkannt und als Bereicherung wahrgenommen wird, da baut Kirche an ihrer Zukunft.“
Dagegen ist nichts einzuwenden, aber es muss doch auf einige „subtile“ Unterscheidungen aufmerksam gemacht werden, damit Pubertierende durch typische Verunsicherungen, die wir alle durchlaufen haben – und die junge Generation in einem nie gekannten Ausmaß gerade durchläuft – zwischen Orientierung und Desorientierung unterscheiden können. Wichtig ist neben das Begehren auch die Fruchtbarkeit ihres Liebens ins Bewusstsein zu rufen, falls diese wesentliche Ausrichtung des Begehrens noch in ihrer Entscheidung steht.