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Rolf Steinhäuser

 Alles hängt mit allem zusammen

27.02.2019

Das ist für mich eine der wichtigsten Erkenntnisse nach einem Besuch mit der Bischöflichen Kommission ADVENIAT in Ecuador. Eigentlich wollten wir nur ein paar Hilfsprojekte besuchen und uns über das kirchliche AmazonasNetzwerk REPAM informieren, das sich an der Vorbereitung der Amazonas-Synode in Rom im kommenden Oktober beteiligt. Anlass für die Synode ist die Enzyklika LAUDATO SI von Papst Franziskus über die Sorge für das gemeinsame Haus.  

Wir hörten von der Rodung des tropischen Regenwaldes, von der rücksichtslosen Ausbeutung der ungeheuren Bodenschätze und von der Zerstörung der Lebensgrundlagen der indigenen Völker, die dort zu Hause sind. Vom Raubbau multinationaler Konzerne und korrupter, geldgieriger Eliten an dem, was der ganzen Menschheit gehört und was wir alle zu einem „guten Leben” brauchen. (BUEN VIVIR nennen die Menschen dort ein Leben in Übereinstimmung mit der Schöpfung, der Reduktion von sozialer Ungerechtigkeit und der Beachtung der Menschenrechte.)

Alles hängt mit allem zusammen

Das erlebte ich auch in Quito bei der Begegnung mit Flüchtlingen aus Venezuela. Wir sprachen in einem Zentrum der Maristenbrüder mit 31 „allein reisenden Männern”, samt und sonders „Wirtschaftsflüchtlingen” (jedenfalls würden viele bei uns sie so nennen). Ihre Geschichten haben uns sehr nachdenklich gemacht und unsere deutschen Bewertungen noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lassen.

„Ich habe 32 Jahre als Lehrer für Geographie und Englisch gearbeitet” berichtete uns ein Flüchtling. „Mein Gehalt reichte nicht mehr, um meine Frau und meine Kinder auch nur mit Reis satt zu machen. Als eines morgens mein 17- jähriger Sohn mit dem Rucksack in der Küche stand und weggehen wollte, damit ein Esser weniger ernährt werden müsse, bin ich gegangen. Ich will meiner Familie helfen. Ich bin hier gut aufgenommen, aber ich habe keine Papiere, ich darf nicht arbeiten, ich kann meiner Familie nichts schicken.”

Dem Vizepräsidenten der venezolanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Mario Moronta, gelang es, mit Hilfe des päpstlichen Nuntius aus Venezuela auszureisen, um die Flüchtlinge zu besuchen und ihnen Mut zu machen. Wir feierten mit Erzbischof Moronta, dem Nuntius und Hunderten venezolanischer Flüchtlinge einen herzzerreißenden Gottesdienst. „Gut, dass ihr aus Deutschland hier seid und uns hört, dass ihr unser Land und unsere Familien nicht vergesst”, sagten uns die Männer.

Ecuador hat einige hunderttausend Flüchtlinge aufgenommen. Jeder Fünfte Venezolaner ist geflohen. Das Land steht vor dem Kollaps. Viele hungern. Präsiden Maduro lässt die an der Grenze gespeicherten Lebensmittel und Medikamente nicht ins Land. Inzwischen berichtet auch die deutsche Presse fast täglich. Maduro klammert sich an die Macht. Bisher steht das Militär auf seiner Seite.

Erzbischof Moronta hat nach seiner Rückkehr einen offenen Brief an Maduro geschrieben. „Gehören diese Soldaten nicht auch zum Volk? Sie sind da, um die Männer und Frauen Venezuelas zu verteidigen und nicht, um sie zu unterdrücken. Hören sie zu und spüren sie das Leid eines Volkes, das Freiheit und Gerechtigkeit will, aber mit Würde und ohne Unterdrückung”.
Venezuela ist mehr als 10 000 km entfernt. Aber manchmal kommt es uns ganz nah. Zumindest, wenn wir das zulassen.

Weihbischof Rolf Steinhäuser, Köln


                                     Foto: pixabay.com

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