Eva-Maria Baumgarten
Zeit und Ewigkeit
14.11.2024
Was soll ich sagen? Eigentlich hätte ich gerne einen Rückzieher gemacht und auf den Kommentar der Woche „verzichtetet“. Amerika hat gewählt, hierzulande zerbricht die Regierungskoalition und auch sonst haben die Nachrichten wenig Schönes zu bieten, während nach herrlichen Herbsttagen – zumindest in der Hochrhön – nun auch hier Novembergrau Einzug hält. Mich großartig politisch zu äußern liegt mir nicht und doch frage ich mich, ob es etwas gibt, was sich in diese Zeit hinein sagen lässt. Und dann mache ich auf dem Dorf, in dem ich lebe, eine Erfahrung, die mich daran erinnert, was gerade jetzt unsere Botschaft sein kann.
Anfang November feiern wir in meiner Heimat „Kirmes“, Kirchweih. Jugendliche und junge Erwachsene finden sich zusammen und organisieren ein großes Fest für das ganze Dorf. Im Mittelpunkt steht der „Kirmesbaum“ unter dem am Sonntagnachmittag die jungen Kirmespaare mit Blasmusik zum Dreireihentanz laden, umrahmt vom Kirchgang und manch eigentümlichen Brauch und wie es sich gehört tags zuvor und am Tag danach mit ausgiebiger Gelegenheit zum Feiern für das ganze Dorf. Manch einer macht da die Nacht zum Tage. Doch am Montagmorgen versammelt sich die ganze Kirmesgesellschaft noch einmal in der Kirche zum Gottesdienst. Im Anschluss ziehen die jungen Leute dann zum Friedhof: Totengedenken.
Und während der Musikverein „Näher mein Gott zu Dir“ intoniert, ist zu spüren, wie sehr dieser Moment diese jungen Menschen bewegt. Mitten hinein in das ausgelassene Feiern darf auch die Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens ihren Platz haben – gerade dann, wenn sie auf diesem Friedhof Familienangehörige oder gar einen aus ihren Reihen betrauen. Aber dieser Moment geht darüber hinaus. Er enthält die Botschaft von der Ewigkeit, von der Hoffnung auf ein Leben in Fülle bei Gott.
Bei aller irdischen Not, in aller Bedrängnis und Sorge, in allem Fragen wie es weitergeht und wohin sich die Welt dreht, dürfen wir als Kirche nicht aufhören über uns als Menschen hinaus zu weisen und den Himmel in den Blick zu nehmen. Für mich ist das keineswegs eine „Weltflucht“, vielmehr verstehe ich es als „Perspektivwechsel“: Angesichts meiner Lebensumstände erfahre ich, dass meine Machbarkeit ihre Grenzen hat. Doch wenn ich dem „Himmel“, also Gott erlaube, an meinem Leben teilzuhaben, werde ich wahrnehmen, dass Gottes Möglichkeiten die meinen doch weit übersteigen. Und plötzlich ist mir die Botschaft der Auferstehung sehr nahe, denn sie betrifft mich genauso wie diese jungen Menschen, mit denen ich zusammen auf dem Friedhof stehe. Auferstehungshoffnung heißt doch, dass SEIN Licht in unser Heute strahlt und dass meine Ewigkeit jetzt beginnt, nicht irgendwann…
Eva-Maria Baumgarten
Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Michael Hohe Rhön | Bistum Fulda
Foto: Patty Jansen auf Pixabay