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Ein Stuhlkreis aus bunten Stühlen

Alexander Paul

Die große Gruppentherapie

07.11.2024

Ein Artikel auf katholisch.de hat die vergangenen Tage meine Aufmerksamkeit erregt.

Darin spricht Marco Politi darüber, dass er die Weltsynode als eine Art „Gruppentherapie“ sehe, die Papst Franziskus in der Kirche angeordnet habe. Ein spannender Gedanke wie ich finde. Er geht davon aus, dass Papst Franziskus heikle Themen in Arbeitsgruppen ausgelagert hat, da er der Meinung sei, dass die unterschiedlichsten Bereiche der katholischen Kirche sich zunächst einmal im direkten Kontakt besser kennenlernen müssten. Das solle spätere Gräben und Brüchen vorbeugen.
Ein nachvollziehbarer Gedanke, war doch auch während des Synodalen Weges immer wieder zu hören, dass eines der größten Geschenke war, sich einander mehr direkt zu begegnen und verstehen zu lernen.

Dieser Weg lässt sich meiner Meinung nach auf zwei zentrale Begriffe reduzieren. Wir müssen zum einen wieder mehr eine „Kirche der Begegnung“ und zum anderen eine „Kirche der Beziehungen“ werden. Wir erleben in so vielen Situationen, wie viel Ärger, wie viel Vorurteile, wie viel Unverständnis abgebaut werden kann, wenn wir uns wahrlich begegnen.

Dabei ist Begegnen allerdings nicht gleich Begegnen. Eine positive Wirkung kann diese Begegnung nur einnehmen, wenn wir dem anderen mit wirklich offenen Herzen und einem ehrlichen Interesse begegnen können. Gehe ich in ein Gespräch, habe meine Meinung aber bereits vorher fest gebildet, schlimmer noch, gehe ich nur in das Gespräch, um den anderen von meiner Sichtweise zu überzeugen, dann wird diese Begegnung die Brüche nur verfestigen. Interessiere ich mich aber wirklich für die Gedanken des Gegenübers, versuche ich ihm von meiner Begeisterung zu erzählen, können Räume entstehen, in denen wahres Verstehen möglich wird. Was nicht gleichzusetzten ist damit, dass wir im Anschluss einer Meinung sein müssen.

Begegnung funktioniert nur ohne Bevormundung und ohne versteckte Absicht. Fällt uns das leicht? Natürlich nicht, wir können häufig schlicht nicht aus unserer Haut. Gehen wir auch mit noch so guten Absichten in eine Begegnung hinein, können diese dann doch herausgefordert werden.
Im Sinne der Selbsterziehung zeigt sich hier ein Weg, der ein gutes Gespür erfordert. Es ist etwas, das es täglich in jeder Begegnung einzuüben gilt und dessen Schwierigkeiten wir uns bewusst sein müssen. Wenn wir diese Dinge beherzigen, kann sich die Qualität unserer Begegnungen, aber auch die Qualität unsere Beziehungen, deutlich erhöhen.
Das ist ein Weg, der sich lohnt zu gehen. Wagen wir dieses Abenteuer der Begegnung. Wagen wir es, uns auf andere Menschen wirklich einzulassen, egal wie unterschiedlich unsere Lebensweisen und Meinungen auch sein mögen. Dann bin ich mir sicher, finden wir mehr von Gottes Funken im Anderen, als wir es vorher für Möglich gehalten haben.

Alexander Paul, Abteilungsleiter Caritas Pforzheim

Foto: wollyvonwolleroy auf pixabay.com

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