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Herwig Gössl

Die sogenannte „Ehe für alle“

26.07.2017

Der Deutsche Bundestag hat knall auf fall beschlossen, die sogenannte „Ehe für alle“ einzuführen. Aus christlicher Sicht kann dies natürlich nur bedauert werden. Dennoch kam die Entscheidung nicht überraschend und muss nun auch nicht zu einer Zeitenwende hochstilisiert werden, weder von den Befürwortern noch von den Gegnern.

Faktisch hat der Staat durch seine Ehegesetzgebung das Institut der Ehe schon seit Jahrzehnten innerlich ausgehöhlt und von ihrem tieferen Sinn entfremdet, sodass die jetzige Entscheidung, so bedauerlich sie auch ist, in mancherlei Hinsicht nur die logische Fortsetzung und Konsequenz der bisherigen Entwicklung darstellt. Es steht ebenso zu befürchten, dass auf diesem Weg der letzte Schritt noch nicht vollzogen ist.

Das zweifelhaft-stichhaltige Hauptargument, dass Menschen, die sich lieben, auch das Recht haben sollen, in einer Ehe zusammenzuleben, liefert jedenfalls keinen Grund, warum man nun vor homo- oder hetero- oder gemischt-sexuellen Formen der Polygamie halt machen sollte. Polygame Eheformen haben zumindest kulturhistorisch eine breitere Tradition und in manchen heutigen Kulturen eine größere Wertschätzung aufzubieten als die jetzt ermöglichte Form der „Eheschließung“.

Es ist schade, dass durch die aktuelle Gesetzeslage der Begriff von Ehe noch mehr verwischt wird, als es schon bisher der Fall war, jedoch wird so noch deutlicher, dass eine katholische Eheschließung praktisch nichts mehr mit dem zu tun hat, was der Staat eine Ehe nennt. Dies wurde auch schon bisher deutlich, wenn junge Leute beim Traugespräch mit dem Pfarrer voller Überzeugung erklärten: Für uns zählt eigentlich nur die kirchliche Trauung. Das Standesamt muss halt auch sein, aber verheiratet fühlen wir uns erst nach dem Gottesdienst.

Inzwischen muss man leider sagen: Die katholische Kirche scheint die einzige Institution zu sein, die Ehe noch als das ernst nimmt, was sie ist: eine dauerhafte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, die von Treue geprägt ist und eine Unauflöslichkeit besitzt, auf die man sich verlassen kann. So ist die Ehe das Fundament für die Bildung von Familie und daher Keimzelle der Gesellschaft. Das spüren – Gott sei Dank – auch junge Leute zunehmend.

Es gäbe also keinen Grund zu allzu großer Entrüstung, wäre da nicht der ganz entscheidende Punkt der Eröffnung einer grundsätzlichen Adoptionsmöglichkeit durch homosexuelle Paare. Wenn man davon ausgehen kann, dass ein Kind für seine optimale Entwicklung einen Vater und eine Mutter braucht, dann hat der Gesetzgeber nun die Tür für eine suboptimale Lösung aufgemacht. Natürlich kann ein homosexuelles Paar seine ganze Liebe und Aufmerksamkeit einem Kind entgegenbringen, kann ihm Zuwendung und ein geborgenes Zuhause geben. All das ist möglich, nur das eine nicht, was aber nach Auskunft vieler Wissenschaftler für die Entwicklung eines Kindes sehr wichtig ist: die Erfahrung, einen Vater und eine Mutter zu haben.

Es war bisher für ältere Ehepaare oder für Alleinerziehende so gut wie unmöglich, ein Kind zu adoptieren. Der Grund war einfach, dass das Wohl des Kindes höhere Priorität hatte als der Kinderwunsch der Eltern. Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, hinter dieser Praxis eine Diskriminierung von älteren Menschen oder von Alleinerziehenden zu vermuten. Es wurde klar vom Kind her gedacht und nicht ausgehend von den Wünschen der Adoptionswilligen. Durch das neue Gesetz wird nun der umgekehrte Weg beschritten. Nicht mehr das Wohl des Kindes steht an erster Stelle, sondern der Wunsch homosexueller Paare nach Gleichbehandlung auch im Adoptionsrecht. Damit aber wird gleich behandelt, was nicht gleich ist – und dies zu Lasten der betroffenen Kinder. In diesem Punkt ist Widerstand nicht nur erforderlich, sondern dringend geboten.

 

Weihbischof Herwig Gössl, Bamberg


                                     Foto: © pixabay.com

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