0261.604090

basis Kommentare

Gewitter über der Stadt

Ludger Schepers

Mit Sturm und Feuersgluten

26.05.2021

„Küssen verboten“ – so sangen „die Prinzen“ 1992. Singen verboten, so heißt es in der Corona-Pandemie. Ob das Gleiche gemeint ist? Egal. Beim Singen werden Aerosole frei, die Coronaviren verbreiten können. Ansteckungsgefahr! Singen an Pfingsten verboten! „Der Geist des Herrn erfüllt das All mit Sturm und Feuersgluten, er krönt mit Jubel Berg und Tal, er lässt die Wasser fluten.“ 

Wir erleben es immer wieder, gerade in Asien. Stürme, Taifune, Tornados können ganze Landstriche vernichten. Bäume knicken wie Streichhölzer. Autos werden in die Luft geschleudert. Sie hinterlassen oft Verwüstungen und Trümmer. – Also Vorsicht, wenn wir singen: „Der Geist des Herrn durchweht die Welt, gewaltig und unbändig. Wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes Reich lebendig.“

Das ist alles andere als harmlos, das will anstecken. Wollen wir das wirklich? Wollen wir wirklich, was wir da manchmal so leichtfertig singen und erbitten? Vielleicht ist es uns ja gar nicht so richtig bewusst. Vielleicht glauben wir, das gehört so zum Fest. Wie eine fromme Übung.

Am Pfingstmontag durfte ich im Essener Dom 14 Erwachsenen das Sakrament der Firmung spenden. Sie haben sich für den Heiligen Geist entschieden, der mit seinen Gaben auf sie herabkommen soll, sie erfüllen soll. Unweigerlich wurde in der Vorbereitung klar: damit ist Veränderung verbunden, Entscheidungen treffen, sich neu ausrichten.

Oft haben wir uns ja in den Bequemlichkeiten dieser Welt eingerichtet. Unser Leben verplant und durchkalkuliert. Und die Firmanden haben davon beim ersten Kennenlernen erzählt, wie sie sich ihr Leben vorstellen. Es wurde sichtbar, dass die Pläne gar nicht so besonders sind. Manchmal vielleicht sogar vernünftig und bieder, langweilig.

Ich glaube, deshalb ist es gut, wenn der Geist Gottes wie ein Tornado durch unser Herz zieht. Es ist gut, wenn das verwirklicht wird, was Gott möchte. Und Gott ist alles andere als langweilig.

Sein Geist verändert festgefahrene Gewohnheiten. Das Brausen vom Himmel her zerreißt unsere innere Selbstgefälligkeit. Der Sturm Gottes kann unser Herz derart durcheinanderbringen, dass wir am Ende nicht mehr ein noch aus wissen. Nicht ohne Grund halten die Leute Petrus für betrunken, als er seine Pfingstpredigt hält. „Der Petrus ist verrückt“, denken sie. Sie irrten sich, es war „nur“ der Heilige Geist, ein Geist, der das Kleine und oft Törichte erwählt, um das Kluge zuschanden zu machen oder einfach ausgedrückt: Gott hat das Verrückte ausgesucht, um den so scheinbar Klugen zu zeigen, wo es langgeht.

In diesem Sinne wäre es schön, wir wären alle etwas verrückt. Nämlich im eigentlichen Sinn des Wortes. So wie ein Sturm Autos, Bäume, ja ganze Häuser verrückt, so müssen wir die verbaute Landschaft unserer Herzen verrücken lassen, manches wie Rücksichtslosigkeit, Gleichgültigkeit, nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. Wir merken doch gerade in dieser Zeit der Pandemie, was wirklich wichtig ist. Wir merken doch gerade in unserer Kirche, was wirklich wichtig ist.

Oft wird das erstickt von den beständigen Sorgen unseres Alltags. Für manche soll alles in der Kirche so bleiben, wie es ist. Ein paar Schönheitsreparaturen, hier und da den Leuten zustimmen, wie gefährlich Veränderungen sind. Da ist schnell von Schisma die Rede und vom Sonderweg der deutschen Kirche. Wie kann da eine ganze Gemeinde vielleicht im traditionsbewussten Leichtsinn singen „komm, Heiliger Geist“, wenn er dann wirklich kommt, und beten: „Entzünde in unseren Herzen das Feuer deiner Liebe.“
Ich bitte alle immer wieder zu überlegen, ob sie so etwas Verrücktes mitsingen wollen oder nicht.

Vielleicht denken manche, dass es gut sei, solch in-Brand-fachendes Reden zu verbieten. Aber hat nicht Jesus gesagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ (Lk 12,49) In jedem Fall kommt der Geist Gottes nicht nur als Zerstörer selbstgemachter Pläne, sondern er errichtet zugleich das Göttliche in unseren Herzen. Seine Gaben Friede und Freude, Weisheit, Erkenntnis, Rat und Stärke werden uns erfüllen, nachdem wir den Sturm überstanden haben. Seine Gabe ist ja er selbst, die Liebe, die das Feuer in unseren Herzen entzünden möchte.

Das Angesicht der Erde könnte sich verändern, das Angesicht der Kirche könnte sich verändern, du und ich könnten uns verändern, wenn wir wieder mehr auf Jesu Worte hörten. Ja, auch wenn wir noch nicht singen dürfen, „es wird sich zeigen, wes Geistes Kind wir sind, unsere Gedanken, unsere Pläne. Es wird sich zeigen und jeder kann erkennen, ob wir im Namen Jesu zusammen sind.“ Wes Geistes Kind wir sind, zeigt sich in unseren Gesprächen und Worten. Und es wird sich dann zeigen, das können wir nicht verdecken, ob wir im Worte Jesu zu Hause sind. Wes Geistes Kind wir sind, das zeigen unsere Programme und unsere Ziele. Es wird sich zeigen, das können wir nicht verstecken, ob wir vom Kreuz Jesu gezeichnet sind. Wes Geistes Kind wir sind, das zeigt sich an unseren Problemen und Fragen. Und dann wird es sich zeigen, wir können es nicht verschleiern, ob wir vom Reich Jesu ergriffen sind.

Küssen verboten. Singen verboten. Handeln erlaubt. Nur Mut beim Synodalen Weg und der angekündigten Welt-Synode: ER ist mit seinem Beistand an unserer Seite, alle Tage bis zum Ende der Welt.


                                     Foto: pixabay.com

Antworten